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Arztbrief: Brustkrebs

Unser Experte Jens-Uwe Blohmer ist Direktor der Klinik für Gynäkologie am Charité Campus Mitte und Leiter des Brustzentrums der Charité. Die Klinik ist das von niedergelassenen Gynäkologen Berlins am häufigsten für die stationäre Behandlung von Brustkrebs empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von tagesspiegel und Gesundheitstadt Berlin).

ERKLÄRUNG Brustkrebs ist eine bösartige Erkrankung der Brustdrüse: Die Tumoren - auch Mammakarzinome genannt - sind Geschwulste, die in und zwischen den Milchgängen wuchern. „Ganz so, als hätten die Zellen dort die Kontrolle verloren“, sagt Jens-Uwe Blohmer, Direktor der Klinik für Gynäkologie am Charité Campus Mitte (CCM) und Leiter des Brustzentrums der Charité. Zu 99 Prozent sind Frauen betroffen. Bei ihnen ist er neben Lungenkrebs der häufigste Krebs: Pro Jahr wird bei rund 71 000 Frauen ein Mammakarzinom diagnostiziert. Im Durchschnitt sind die betroffenen Frauen dann Mitte bis Ende 60. Allerdings tritt Brustkrebs anders als viele andere Krebsarten häufig schon in jüngeren Jahren auf: Bei Frauen unter 45 Jahren sind Mammakarzinome mit Abstand die häufigste bösartige Neubildung.

Sie sind jedoch mittlerweile auch sehr gut behandelbar - vor allem, wenn er früh genug erkannt wird. Aber auch allgemein gilt: „Die Überlebensrate ist bei Brustkrebs sehr hoch“, sagt Blohmer. So würden unabhängig vom Stadium des Krebses neun von zehn Frauen fünf Jahre nach der Diagnose noch leben. Zehn Jahre nach der Diagnose seien es noch acht von zehn Frauen mit einem frühzeitig entdeckten Tumor. Bei den Frauen, deren Krebs zum Zeitpunkt der Diagnose schon gestreut und beispielsweise Tochtergeschwulste (Metastasen) in Knochen, Leber, Lunge oder Gehirn gebildet habe, liege die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei 30 bis 50 Prozent.

Die weibliche Brust besteht im Wesentlichen aus Binde- und Fettgewebe. Während der Stillzeit produzieren die Milchdrüsen der Brustdrüse die Muttermilch, die über die Milchgänge (1) zur Brustwarze gelangt. Bei Brustkrebs entstehen in und zwischen diesen Gängen bösartige Tumore (2), Mammakarzinome genannt.
Die weibliche Brust besteht im Wesentlichen aus Binde- und Fettgewebe. Während der Stillzeit produzieren die Milchdrüsen der Brustdrüse die Muttermilch, die über die Milchgänge (1) zur Brustwarze gelangt. Bei Brustkrebs entstehen in und zwischen diesen Gängen bösartige Tumore (2), Mammakarzinome genannt.

© Fabian Bartel

SYMPTOME Solche Beschwerden wie beispielsweise Schmerzen treten vor allem bei einem frühen Krebsstadium kaum auf. Dennoch gibt es verschiedene Anzeichen für einen Tumor in der Brust, die Frauen an sich selber feststellen können. Dazu gehören unter anderem tastbare Verhärtungen und Knotenbildungen, oder dass sich die Größe und Form einer Brust verändert. Auch eine gesteigerte Empfindlichkeit oder Einziehungen der Haut, der Brustwarze oder des Brusthofes, einseitige klare oder blutige Absonderungen aus der Brustwarze oder Knoten in der Achselhöhle können auf Brustkrebs hinweisen.

URSACHEN Die genauen Ursachen für bösartige Neubildungen der Brustdrüse sind noch nicht geklärt. Experten gehen jedoch davon aus, dass weibliche Geschlechtshormone, die Östrogene, eine entscheidende Rolle bei dem Tumorwachstum der häufigsten Brustkrebsarten spielen: „Je länger das sogenannte östrogene Fenster geöffnet ist, desto höher ist das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken“, sagt Blohmer. Das bedeute: Besonders gefährdet seien Frauen, bei denen die erste Regelblutung (Menarche) früh einsetzt und die Menopause erst spät eintritt. Auch späte oder gar keine Schwangerschaften würden das Erkrankungsrisiko erhöhen. Weitere bekannte Risikofaktoren sind Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel. Außerdem kann die Veranlagung bei der Entstehung von Brustkrebs eine Rolle spielen. „Rund zehn Prozent aller Mammakarzinome sind genetisch bedingt“, sagt Blohmer. Für Frauen, in deren Familie bereits Brustkrebs vorkam, könne daher nach ausführlicher Beratung ein Gentest sinnvoll sein, um das Krebsrisiko abzuschätzen.

DIAGNOSE Besonders in einem frühen Stadium ist Brustkrebs gut behandelbar. Deswegen ist die Früherkennung sehr wichtig. „Frauen sollten daher regelmäßig ihre Brüste nach Veränderungen betrachten und abtasten“, sagt Chefarzt Blohmer. Stellen sie dabei beispielsweise Verhärtungen fest, müssen diese von einem Arzt abgeklärt werden. Frauen ab 30 Jahren können darüber hinaus einmal jährlich eine Tastuntersuchung bei ihrem Arzt wahrnehmen. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren werden zudem alle zwei Jahre eingeladen, an einem Mammografie-Screening teilzunehmen, bei dem die Brust per Röntgen untersucht wird. „Auch wenn das Mammografie-Programm immer wieder in der Kritik steht, ist es zur Früherkennung dennoch sinnvoll“, sagt Experte Blohmer. „Und vor allem ist es das Beste, was wir derzeit haben.“ Noch sicherer könne eine Diagnose allerdings werden, wenn man die Mammografie bei Frauen mit einem sehr dichten Brustgewebe mit einer Ultraschalluntersuchung (Sonografie) kombiniere.

Stellen Ärzte bei den Untersuchungen tatsächlich Veränderungen im Brustgewebe fest, ist eine Biopsie notwendig: Von dem auffälligen Gewebe wird eine kleine Probe entnommen und im Labor untersucht, um festzustellen, ob es gutartig oder bösartig ist. Falls es sich tatsächlich um ein Mammakarzinom handelt, können die Ärzte dabei auch gleich untersuchen, um welchen Tumortyp es sich handelt und wie aggressiv dieser ist. „Dieses sogenannte Grading ist neben anderen Tumoreigenschaften für die weitere Behandlung entscheidend, da unterschiedliche Tumore unterschiedliche Behandlungsmethoden verlangen“, sagt Blohmer. Besteht das Risiko, dass ein Tumor bereits gestreut hat, werden weitere Untersuchungen notwendig, beispielsweise eine Röntgenuntersuchung der Lunge oder eine Ultraschalluntersuchung der Leber. Frauen, die aufgrund ihrer genetischen Veranlagung ein stark erhöhtes Erkrankungsrisiko haben, steht ein intensiveres, engmaschigeres Früherkennungsprogramm offen.

Auch eine präventive Operation, bei der die Brust abgenommen und die Brustdrüse vorbeugend entfernt wird, ist möglich. Dies werde laut Gynäkologe Blohmer derzeit von immer mehr Frauen nachgefragt. Er sieht diesen Trend jedoch kritisch: „Bei Hochrisiko-Patientinnen mit einer bestimmten genetischen Konstellation kann eine präventive OP durchaus sinnvoll sein“, sagt Blohmer. Dennoch solle man einen solchen Eingriff nicht leichtfertig vornehmen. „Oft haben die Frauen sehr große Angst vor einer Brustkrebserkrankung. Deshalb gilt es, in intensiven Gesprächen mit ihnen die möglichen Risiken und Alternativen genau abzuwägen.“

THERAPIE In der Regel ist Brustkrebs sehr gut behandelbar. „Wenn er früh genug erkannt wird, ist er sogar heilbar“, sagt Charité-Chefarzt Blohmer. Um gegen die bösartigen Neubildungen vorzugehen, haben Ärzte unterschiedliche Möglichkeiten: die Chemotherapie, die Strahlentherapie, eine Operation sowie Anti-Hormon- und Immuntherapie. Diese einzelnen Behandlungsarten können auch miteinander kombiniert werden. „Jeder Brustkrebs ist anders“, sagt Blohmer. „Daher muss auch jede Therapie individuell gestaltet werden.“

In einem frühen Stadium lassen sich viele Tumore mithilfe der Immuntherapie, bei der Antikörper gezielt auf die Krebszellen einwirken, verkleinern und dann brusterhaltend operieren. Danach ist häufig noch eine Bestrahlung notwendig, um das Risiko für die Rückkehr der Krankheit (ein sogenanntes Rezidiv) zu verringern. „Ist der Tumor bereits größer, ist meist eine kombinierte Therapie aus Chemotherapie, Operation und Bestrahlung notwendig“, sagt Blohmer. In den meisten Fällen könne aber auch hier brusterhaltend operiert werden.

Dennoch haben laut Blohmer in den vergangenen Jahren die Brustamputationen wieder zugenommen -meist auf Wunsch der Patientinnen. Dies führt der Experte unter anderem darauf zurück, dass sich die Möglichkeiten der Brustrekonstruktion stark verbessert haben. „Viele Patientinnen schrecken außerdem vor einer Bestrahlung zurück und halten eine vollständige Entfernung für sicherer.“ Dies sei aber nicht der Fall. Es gelte daher auch hier, mit den Patientinnen die Chancen und Risiken der Eingriffe genau abzuwägen, um das beste Ergebnis zu erzielen.

Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken, die diese Erkrankung behandeln, verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.

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