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Brandenburg: 160 Hektar Geschichte

Grafen-Schloss, Goebbels-Villa, FDJ-Schule warten am Bogensee auf Käufer

Lanke/Bogensee - Auf der Fahrt durch den dichten Wald wachsen mit jedem Kilometer die Zweifel. Was so abseits liegt, seit fast fünf Jahren leer steht und aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwunden ist, dürfte den Lauf der Zeit, Frost und Regen und vor allem den Vandalismus kaum überstanden haben. Doch ganz anders: Das riesige Gelände der früheren Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“ am Bogensee zwischen Lanke und Wandlitz nördlich Berlins zeigt sich gepflegt und weitgehend intakt. Auch das Landhaus des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels, das bis 1999 noch ein Restaurant beherbergte, weist keine Schäden auf. Fast scheint es beim Rundgang, als ob jederzeit Hotelgäste, Kinobesucher oder Tagungsteilnehmer aus den Türen strömen müssten. Doch nur der Wind bläst einige bunte Blätter über den Rasen.

Der Käufer dieser in seiner Größe und Geschichte ziemlich einzigartigen Immobilie braucht sich nicht mit Müllbergen, zerschlagenen Fensterfronten oder defekten Versorgungsleitungen herumzuschlagen. Das 160-Hektar-Areal am Bogensee mit dem leer stehenden Waldhof Goebbels’, den nach der Wende zu Hotels umgebauten, vier großen Internatsgebäuden, einem Kulturhaus mit einem beeindruckenden Ballsaal, einem Hauptgebäude mit einem 500 Plätze bietendem Tagungsraum sowie Heizhaus, Kläranlage und einigen Nebengebäuden gehört nach Rückübertragung durch die Treuhand wieder dem Land Berlin.

Immer wieder war in letzter Zeit von Kaufinteressenten für Bogensee zu hören. Hochschulen, Forschungsinstitute, Verbände, Klinikbetreiber, Hoteliers und Immobilienhändler hätten sich umgesehen, hieß es. Doch nichts geschah – und Berlin muss weiter für Bogensee und das nahe Schloss Lanke die Betriebskosten tragen. „Es gibt einen ernsthaften Interessenten“, heißt es bei der Wohnbauten- und Beteiligungsgesellschaft, die im Auftrag des Senats einen Käufer sucht. Wobei für den Zuschlag auch das Nutzungskonzept entscheidend sein solle.

Das weitläufige Gelände am Bogensee und Schloss Lanke waren einst im Besitz des „Oberst-Kämmerers und Wirklichen Geheimen Rats Seiner Majestät des Königs“, Graf Wilhelm von Redern. Der Generalintendant der Berliner Bühnen bestimmte Mitte des 19. Jahrhunderts das Kulturleben Berlins, hielt enge Freundschaft zur Monarchie und besaß ein Stadtpalais am Ort des heutigen Hotels Adlon. In Lanke ließ er sich bis 1859 ein Renaissance-Schlösschen bauen.

Seine Erben verkauften 1914 den riesigen Grundbesitz an Berlin, nachdem in die Pleite gerutscht waren. Schloss Lanke diente dann als exklusives Gästehaus und nach Kriegsende bis 1997 als Wohnstätte für alte und geistig behinderte Menschen. Das rund zehn Kilometer entfernte Gelände am Bogensee, wo damals nur eine Blockhütte stand, erhielt dagegen 1936 Goebbels zum 39. Geburtstag auf Lebenszeit zur Nutzung übertragen. Er ließ hier seinen Landsitz „Waldhof“ errichten.

Im April 1946 zog die Jugendorganisation FDJ ein. Fünf Jahre später entstand nach sowjetischen Vorbild eine Kaderschmiede für in- und ausländische Jugendfunktionäre, mit Schulungsgebäuden, Wohnheimen, einem Kulturhaus. Die stalinistische Bauform ist unverkennbar. Im Dezember 1981 war die Weltpresse zu Gast, als Helmut Schmidt im großen Saal über seine Unterredung mit Erich Honecker auf Schloss Hubertusstock sprach.

1990 kam das Aus für die FDJ-Schule, der gemeinnützige „Internationale Bund für Sozialarbeit“ bildete Jugendliche aus und betrieb Hotel und Restaurant – bis die Organisation sich 1999 aus vielen ihrer Projekte und auch diesem zurückzog.

Seitdem hält ein kleiner Trupp Handwerker die Bauten in Bogensee und auch Schloss und Park Lanke einigermaßen in Schuss. Der Rasen wird gemäht, die Heizung ab und zu angestellt und zerbrochene Fenster repariert. Erstaunlich aber, dass sich bisher noch kein Käufer fand.

Auskünfte erteilt die Wohnbauten- und Beteiligungsgesellschaft (WoBeGe), Tel. (030) 63990531 und www.wobege.de. Informationen zur früheren Jugendhochschule unter www.bogensee.com

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