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Brandenburg: ABM-Projekt: Majestätisch läuft "Oranje" zur zweiten Jungfernfahrt aus

Ein gewisses Kribbeln in der Magengegend konnten die Jugendlichen beim Stapellauf ihres Schiffes nicht verbergen. Einige liefen aufgeregt am Hafenbecken der Werft Malz bei Oranienburg hin und her, andere zogen an der Zigarette oder hielten sich während der offiziellen Reden etwas abseits auf.

Ein gewisses Kribbeln in der Magengegend konnten die Jugendlichen beim Stapellauf ihres Schiffes nicht verbergen. Einige liefen aufgeregt am Hafenbecken der Werft Malz bei Oranienburg hin und her, andere zogen an der Zigarette oder hielten sich während der offiziellen Reden etwas abseits auf. Ganz unbegründet schienen die Bedenken nicht zu sein. Schließlich sollte ein immerhin vor 87 Jahren von holländischen Arbeitern gebautes und in den vergangenen Monaten von Berufsanfängern rekonstruiertes Schiff in wenigen Augenblicken zu Wasser gelassen werden. Doch alle Sorgen waren letztendlich umsonst. Die Sektflasche zur Taufe auf den Namen "Oranje" hinterließ kein Loch am Bug, die Schweißnähte hielten. Majestätisch rutschte der eiserne Bottich in den Malzer Kanal. Von dort geht die Fahrt zwar nicht in die große Welt, führte aber immerhin bis nach Hennigsdorf. Hier wird das Schiff von einem städtischen Jugendfreizeitzentrum übernommen.

Nicht nur dieser Akt besitzt Seltenheitswert. Die ganze Aktion zur Rettung des alten holländischen Grachtenbootes, das einst Frachten transportierte und später als Wohnung diente, ist zumindest in Brandenburg nicht alltäglich. Denn 21 Jugendliche ohne berufliche Qualifikation oder einen Abschluss fanden hier durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und durch einen Zuschuss der Landesregierung nicht nur für anderthalb Jahre einen Job, sondern vor allem ein Sprungbrett ins Berufsleben. Die gestern von der Hennigsdorfer Innovations- und Entwicklungsgesellschaft als zuständigen Projektträger vorgelegte Bilanz kann sich durchaus sehen lassen. Von den 21 Jugendlichen fanden neun eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt, vier erhielten einen Ausbildungsplatz. Bei den anderen laufen die Bewerbungen.

Die auf der Werft gesammelten Erfahrungen und erreichten Abschlüsse - fast alle besitzen jetzt einen Schweißerpass - erleichterten offensichtlich die Einstellungsgespräche. Alte Fotos zeigten den erbärmlichen Zustand des Schiffes vor der Rekonstruktion. "Das war ungefähr so, als ob ein Schuster alte Schuhe betrachtet und dann nur noch die Schnürsenkel für verwendbar bezeichnet", erinnerte sich ein Werftarbeiter. Der Rost habe überall Löcher hinterlassen. Vier Ausbilder stiegen mit ins ABM-Projekt ein, so dass fachlich keine Probleme auftraten.

Der Hennigsdorfer Bürgermeister Andreas Schulz vergaß in der Feierstimmung jedoch nicht den Hinweis auf die "dramatische Lage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt" in seiner Stadt am Rande Berlins. Von den 2000 Arbeitslosen seien 260 Menschen unter 25 Jahren. Dem Stapellauf der "Oranje" müssten deshalb weitere Projekte folgen. Denn Arbeits- und Perspektivlosigkeit von Jugendlichen seien nicht selten Auslöser für eine "Null-Bock-Stimmung", für Intoleranz und Gewaltbereitschaft. Deshalb sei das Schiff einem Freizeitzentrum als Jugendtreffpunkt übergeben worden.

Über den Namen "Oranje" freuten sich besonders die Vertreter der niederländischen Botschaft. Denn gerade in der Region rund um Oranienburg - gegründet vor 300 Jahren von der Prinzessin Louise Henriette von Oranien - seien noch viele Zeugnisse der holländischen Einflüsse erhalten. Seit gestern gehört die "Oranje" wieder dazu.

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