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Brandenburg: Abschied vom Übervater

In der SPD wächst der Unmut über Manfred Stolpe. Man nimmt ihm nicht nur das Scheitern der Großprojekte übel

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Der Lack des einstigen „Übervaters“ blättert ab: Viele Brandenburger Sozialdemokraten sind über ihren früheren Regierungschef, den heutigen Aufbau-Ost-Minister Manfred Stolpe, verärgert. Gründe sind nicht nur das Scheitern der letztlich von Stolpe verantworteten Chipfabrik in Frankfurt (Oder), sondern vor allem dessen Reaktionen darauf. Sie werden von märkischen SPD-Politikern auch als „Affront“ gegen seinen Nachfolger Matthias Platzeck gewertet, „der ohnehin mit den Hinterlassenschaften von Stolpe fertig werden muss – ob Lausitzring, Cargolifter oder jetzt die Chipfabrik“.

Tatsächlich hat Stolpe das Milliardenprojekt im Februar 2001 zusammen mit dem damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) demonstrativ verkündet – trotz völlig ungeklärter Finanzierung. Die konnte Stolpe auch bis zu seinem Abtritt nicht lösen.

Dessen ungeachtet machte er dieser Tage in einem Interview für das Scheitern der Chipfabrik nicht Versäumnisse seiner Regierung, sondern die EU in Brüssel verantwortlich: Sie habe zu hohe Hürden aufgetürmt. Tatsächlich hat die EU-Kommission wegen der „abgespeckten“ Planungen für die Chipfabrik nur getan, was ihre Pflicht war: Nämlich mitgeteilt, dass nach EU-Wettbewerbsrecht ein neues Bewilligungsverfahren für die öffentlichen Beihilfen erforderlich sei.

„Es ist nicht hilfreich, die Schuld außerhalb des Landes zu suchen", kritisierte der SPD-Landtagsabgeordnete Werner-Siegwart Schippel Stolpes Reaktion. Und Heiko Müller, wirtschaftspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, bezeichnet das Agieren des früheren „Landesvaters“ in den letzten Wochen als „unglücklich“. Bereits zuvor hatte Stolpe in der SPD-Landtagsfraktion und in Platzecks Staatskanzlei Verstimmungen ausgelöst, weil er indirekt das Land für das Tauziehen um die beantragte 500-Millionen-Staatsbürgschaft verantwortlich machte: Es müsse seine Hausaufgaben erledigen.

Auch Platzeck reagierte im kleinen Kreis verärgert. In seinem Umfeld heißt es, dass sich Platzeck immer solidarisch-loyal zu seinem Vorgänger, aber auch zur Bundesregierung verhalten habe. Inzwischen ging der 49-Jährige allerdings erstmals auf Distanz zu seinem einstigen „Ziehvater“, in dem er auf dessen Mitverantwortung hinwies: „Es war nicht hilfreich, das Projekt in der Öffentlichkeit gleich mit großen Dimensionen darzustellen, bevor alle Verträge in trockenen Tüchern waren. Mich ärgert, dass dieses Vorhaben nicht besser vorbereitet wurde.“

Auffällig ist, wie schnell die SPD-Landtagsfraktion am Dienstag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschloss, obwohl dieser neben dem früheren CDU-Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß vor allem den früheren Regierungschef und heutigen Super-Minister in die Schusslinie bringen wird. Aber die SPD-Fraktion sieht offenbar keinen Anlass, auf Stolpe Rücksicht zu nehmen. „Wir haben nichts zu verbergen“, lautete Platzecks knapper Kommentar. Dem Vernehmen nach will der Ministerpräsident auch die Regierungserklärung am kommenden Donnerstag nutzen, um sich von der verfehlten Wirtschaftspolitik Stolpes abzugrenzen – freilich ohne diesen offen mit Namen zu nennen.

Platzeck stecke in einem Dilemma, analysiert der SPD-Bundestagsabgeordnete Stefan Hilsberg: „Solange Stolpe in Amt und Würden ist, hat er es schwer, sich vom Übervater zu emanzipieren und das Land vom Mehltau zu befreien.“ Und der SPD-Wirtschaftssprecher Heiko Müller betont, dass Platzeck als Konsequenz aus dem Scheitern der Chipfabrik eine klare Abwendung von „politisch motivierten Großprojekten“ ankündigen müsse. Stolpes Wirtschaftspolitik sei von Illusionen, nicht von Visionen geprägt gewesen.

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