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Brandenburg: Abstieg eines Ehrenmannes

Thorsten Metzner

Jörg Schönbohm gilt als Ehrenmann. Selbst politische Gegner, die die polarisierenden Vorstöße des wertkonservativen Brandenburger Innenministers und CDULandesvorsitzenden nicht teilen, schätzen ihn als integren Politiker. Das war zumindest bisher so. Schönbohm ist bekannt dafür, auf „bürgerliche Erziehung und Kultur“, auf Begriffe wie „Ehre“ und „preußische Tugenden“, auf Stil und korrekte Umgangsformen den allergrößten Wert zu legen. Gilt das noch?

Gemessen an Schönbohms Ansprüchen ist sein Umgang mit der Oppositionsführerin der Linkspartei/PDS Dagmar Enkelmann irritierend. Es wäre das Mindeste, dass sich der CDU-Landeschef bei Enkelmann für seine falschen Stasi-Anschuldigungen entschuldigt, selbst wenn es ein Versprecher war. Statt sich zu entschuldigen, legte Schönbohm noch einmal nach: Spitzel-Vorwürfe seien für eine PDS-Politikerin ja nicht ehrenrührig.

Sein Bild von der SED-Nachfolgepartei ist wohl so eindimensional. Fair gegenüber Enkelmann ist es nicht und taktisch kurzsichtig dazu. Sein verbrämtes Bedauern dürfte die Chance erhöhen, dass Enkelmann mit ihrer Strafanzeige wegen Verleumdung Erfolg hat, weil sie vor laufenden Fernsehkameras herabgewürdigt wurde. Brandenburgs auch diesmal schlecht beratener Innenminister riskiert, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt, mit offenem Ausgang.

Neben der berechtigten Empörung über die falschen Anschuldigungen muss man fragen, was sein Kollektiv-Angriff auf PDS-Spitzenpolitiker, die tatsächlich der DDR-Staatssicherheit dienten, bewirken soll. Jeder Fall, den Schönbohm aufzählte, ist seit Jahren bekannt. Kein Wunder, dass selbst Parteifreunde stöhnen, er treibe der Linkspartei die Wähler zu.

Schönbohm hält die SED-Diktatur für nicht genügend aufgearbeitet, nun gut. Aber welches Menschenbild hat er eigentlich? Er wirft der SPD und der Linkspartei/PDS regelmäßig vor, zu wenig auf den Einzelnen und auf die Eigenverantwortung zu setzen und zu viel auf den Staat und seine vermeintliche Allmacht. Dabei geht Schönbohm wohl davon aus, dass sich Menschen nicht weiterentwickeln, nicht dazu lernen können, was auch eine Form von DDR-Staatsgläubigkeit ist.

Einmal Stasi-IM, immer Stasi-IM, auch im Jahr 15 der deutschen Einheit noch? Wo jeder 1990 verurteilte kriminelle Totschläger längst auf freiem Fuß ist? Als ob frühere Kommunisten – oder Funktionäre der Blockpartei-CDU – heute keine Demokraten sein können. So wie Jörg Schönbohm diese Debatten führt, trägt er selbst dazu bei, dass Gräben bleiben, dass der Osten länger Osten bleibt. Ganz abgesehen davon, dass diese Sichtweise eines Christdemokraten nicht gerade eine christliche ist.

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