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Brandenburg: Am Ende ließen sich die Mühlberger doch retten

Nach drei Tagen Sandsackstapeln zogen sich die Einsatzkräfte zurück – vorübergehend. Und am Nachmittag stagnierte der Pegelstand endlich.

Von Claus-Dieter Steyer

Mühlberg. Am Nachmittag tauchte dann doch noch ein Hoffnungsschimmer auf: Der Pegelstand bei dem vom Elbe-Hochwasser bedrohten Mühlberg stagnierte bei 9,96 Meter. Die Brandenburger Seite profitiere wohl davon, dass der Damm am sächsischen Ufer an einigen Stellen nachgab und Wasser abfließen konnte, hieß es im örtlichen Krisenstab. Gegen Abend nahmen Soldaten und Feuerwehrleute die am Vormittag unterbrochenen Arbeiten am Deich wieder auf. Ministerpräsident Matthias Platzeck hatte es so entschieden.

Stunden vorher sah es noch ganz anders aus. Sirenengeheul durchschnitt um 10.35 Uhr die Stille in der Kleinstadt Mühlberg. „Alle Einsatzkräfte sofort abrücken“, lautete das Kommando. Der seit Tagen der Elbe-Flut ausgesetzte Deich im südwestlichen Brandenburger Zipfel war weich wie Pudding geworden. Sowohl von unten als auch über die mit Sandsäcken aufgestockte Oberkante schwappte Wasser in die Stadt. Die Sicherheit der Helfer konnte nicht mehr garantiert werden. Seit Mittwoch hatten sie versucht, eine Überflutung der knapp 5000 Einwohner zählenden Stadt sowie angrenzender Ortsteile zu verhindern.

„Die Gesundheit und das Leben der Leute geht vor“, sagte der Einsatzleiter und Landrat von Elbe-Elster, Klaus Richter. Bei einem Dammbruch wären die Soldaten in tödlicher Gefahr, betonte er. Dass es nun in Rundfunk- und Fernsehberichten hieß, Mühlberg sei aufgegeben worden, ärgerte ihn. „Wenn es die Situation erlaubt, werden wir wieder an den Dämmen arbeiten.“ „Alles raus! Menschenleben geht vor“, hatte Richter beim Blick auf den Monitor in seinem Stabszimmer angeordnet. Die Fachleute vom Landesumweltamt nickten. Zu dramatisch erschienen die von einem Polizeihubschrauber per Funk übermittelten Bilder.

Zwischen die Fahrzeugen des Bundesgrenzschutzes, der Polizei und der Bundeswehr mischten sich zu diesem Zeitpunkt auch einige private Pkw. Obwohl rund 5000 Menschen eigentlich schon bis Donnerstag ihre Häuser zu verlassen hatten, hielten sich rund 100 Personen noch am gestrigen Vormittag in der Stadt auf. „n und Adressen sind bekannt“, erklärte Polizeisprecherin Ines Filohn. „Alle haben unterschrieben, dass sie die Kosten eines Rettungseinsatzes selbst tragen." Doch davon ließen sich vor allem private Hauseigentümer nicht abschrecken.

„Ich habe sechs Jahre an meinem Haus gebaut. Das lasse ich doch nicht einfach zurück“, meinte Matthias Krüger. Seine Frau und sein Kind habe er schon zu Verwandten gebracht. Auf 1,30 Meter erhöhte er die Sandsäcke rund um sein Haus.

Doch nicht nur die drohende Überflutung bereitete ihm große Sorgen. „Die Polizei kann doch gar nicht überall sein und Plünderer fern halten.“ Als das Wasser jedoch langsam in die Stadt eindrang, entschied sich auch Matthias Krüger zum Verlassen seines Hauses. Es war auch höchste Eisenbahn. Denn ein zweites Hubschrauber-Video eine Stunde später zeigte bereits die Wucht des Wassers: Mehrere Straßen, Gärten, Plätze und Betriebshöfe waren bereits überschwemmt. „Das Wasser steht bei 9,86 Meter“, teilte Lothar Witschas vom Landesumweltamt mit. Normal sei für diese Jahreszeit ein Pegel von 2,06 Meter. „Doch im Moment steigt das Wasser vor den Mühlberger Deichen nicht mehr an. Ein großer Teil ergießt sich über den Damm am gegenüberliegenden Elbufer auf sächsischem Gebiet.“ Doch die scheinbare Entspannung dauert nur kurz. Dann schwoll die Elbe wieder an. 4000 Kubikmeter Wasser strömten pro Sekunde an Mühlberg vorbei. Bei der Oderflut vor fünf Jahren waren es nur 2700 Kubikmeter.

Bei den Rettungskräften klingelten plötzlich die Telefone. „Ein Mann will aus seinem Haus weggebracht werden. Er hat Angst, dass ihm die Flut vor der Tür erwischt“, hieß es im Funkgerät kurz nach 12 Uhr. Doch auch die Männer vom Deutschen Roten Kreuz zweifelten. „Die Fahrt im Auto ist uns zu gefährlich“, sagte der Chef vom Dienst. Ein Rettungshubschrauber wurde angefordert, obwohl dieser Sandsäcke an den Deich bringen sollte. Die Mienen im Krisenstab verdunkelten sich. „Die Menschen hatten Zeit, sich gefahrlos aus der Krisenregion zu begeben“, schüttelte Landrat Richter den Kopf.

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