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Brandenburg: Am Roten Rathaus beginnt eine Zeitreise ins Mittelalter An Wowereits Amtssitz wollen Archäologen bald nach Ur-Berlinern graben

Funde in Mitte belegen, dass die Stadt weit älter ist als bisher gedacht

Noch ist alles so wie immer vor dem Berliner Rathaus: Touristen schlendern unter Herbstbäumen, an einer Ecke stehen ein paar Absperrungen und Dixi-Klos für die nächste Veranstaltung. Doch wenn hier in den nächsten Jahren der Bau des U-Bahnhofs für die Linie U5 beginnt, wird sich dieser Ort vollkommen verändern. Dann kommen, wie oft in solchen Fällen, zuerst die Archäologen und graben tief in der mittelalterlichen Geschichte Berlins. Das tun sie zur Zeit an vielen Stellen, vor allem auf dem Petri- und Schloßplatz, vor dem Staatsratsgebäude und seit einigen Wochen auch bei der ehemaligen Georgenkirche am Alexanderplatz. Und dabei finden sie immer wieder auch Relikte, die die Ursprünge Berlins ein Stückchen weiter zurück in die Vergangenheit verlegen.

Das ist, wie berichtet, gerade jetzt erst wieder vor dem Staatsratsgebäude geschehen. Besucher sehen hier die Fundamente eines Dominikanerklosters. Bis 1747 hat es hier gestanden. Die Klosterkirche war die erste Grablege der Hohenzollernfürsten, sie wurde nach dem Abbruch auf die nördliche Seite des Schlosses verlegt – als Vorläufer des heutigen Doms. Aber schon hundert Jahre vor der Klostergründung und 300 Jahre vor den Anfängen des Schlosses standen hier Wohnhäuser. Von einem dieser Häuser hat sich ein hölzerner Eckpfosten des Kellers erhalten. Die Dendrodatierung, eine Methode zur Bestimmung des Alters von Holz, hat ergeben, dass er um 1183 gefällt und vermutlich auch verbaut wurde. Die Geburtsstunde der Doppelstadt Berlin-Cölln liegt also länger zurück als bisher angenommen – für Historiker gilt nämlich 1237, das Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung.

Aber das ist noch nicht alles. Wahrscheinlich werden in den nächsten Jahren noch ältere Überreste gefunden. „Ich denke, wir werden noch bis 1170 zurückgehen“, meint der stellvertretende Grabungsleiter Arno Kose. Zu dieser Zeit haben die Askanier die Herrschaft in der Region übernommen, und im Zuge dieser Umwälzungen sind wohl auch die ersten Siedler aus dem Rheinland und aus Flandern an die Spree gekommen.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Historiker, die oft nur schriftliche Quellen gelten lassen, das Alter einer Stadt jünger ansetzen als Archäologen, die ältere Überreste in der Erde finden. Die Datierungsmethoden sind aber in den letzten Jahren so verfeinert worden, dass Historiker zunehmend auch die Funde der Archäologen als Quelle akzeptieren. „Zumal zwei Drittel der mittelalterlichen Urkunden gefälscht sind, um Herrschaftsansprüche zu legitimieren“, sagt Kose.

Doch irgendwann ist jede Ausgrabung abgeschlossen. Was geschieht dann mit den Stätten? Laut Karin Wagner, Leiterin der archäologischen Abteilung beim Landesdenkmalamt, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Manche bleiben als „archäologisches Fenster“ der Öffentlichkeit zugänglich, wie am Petriplatz, andere werden wieder verschüttet oder sogar neu bebaut. Und so blicken die U-Bahnfahrer am Roten Rathaus in naher Zukunft vielleicht auf die Fundamente uralter Vorgängerbauten.

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