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Brandenburg: Angriff auf Ermyas M.: Polizei vernahm Polizisten

Beamter prahlte auf anonymer CD mit Tat- und Insiderwissen zu Ermittlungen Staatsanwaltschaft sieht jedoch keinen Anlass, ihn zu verdächtigen

Potsdam - Bei dem von der Verteidigung im so genannten Ermyas-Prozess präsentierten angeblichen neuen Verdächtigen handelt es sich um einen Polizisten des Polizeipräsidiums Potsdam. Entsprechende Informationen des Tagesspiegels bestätigten gestern Abend die Staatsanwaltschaft Potsdam und Gerichtskreise. Eine für den gestrigen Abend geplante offizielle Erklärung von Innenministerium und Polizei wurde von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern Abend gestoppt. Ermyas M. war am Ostersonntag 2006 in Potsdam mit einem Faustschlag lebensgefährlich verletzt worden.

Polizist Mario D. der bis vor wenigen Monaten Angehöriger der Sondereinheit gegen rechte Gewalt (MEGA) war und jetzt in einer anderen Dienststelle beschäftigt ist, war gestern erstmals von Ermittlern vernommen worden. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam, Christoph Lange, wies ausdrücklich darauf hin, dass der Mann derzeit lediglich als Zeuge, nicht aber als Beschuldigter gelte. Es gebe bisher „keinerlei Hinweise darauf, dass der Polizist etwas mit der Tat zu tun hat“. Vielmehr werde, so eine Ermittlerin, davon ausgegangen, dass er mit Polizeiwissen in einer Kneipe geprahlt habe. Mario D. habe sich gestern morgen gemeldet, nachdem ihm bewusst geworden sei, dass es sich bei dem „ominösen Mario“ um ihn handele.

Die Prahlerei war auf einer mysteriösen CD zu hören, die ein anonymer Informant am Montag den Anwälten des Hauptangeklagten Björn L. und einer Zeitung geschickt hatte. Das sei „der Täter“, stand auf dem Umschlag. Auf der Scheibe spricht ein Mann namens „Mario“ mit hoher Fieselstimme. Offenkundig versuchte der Absender, Björn L. zu entlasten, der ebenfalls eine hohe Stimme hat. L’s Verteidiger übergaben die CD der Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis, es gebe einen neuen Tatverdächtigen. Daraufhin mussten Polizei und Staatsanwaltschaft mitten im laufenden Prozess um die Gewalttat gegen Ermyas M. ihre Ermittlungen wieder aufnehmen.

Bei seiner gestrigen Anhörung konnte sich Mario D. laut Polizei nicht erinnern, wer das Gespräch mit einem Handy aufgenommen haben könnte, bei dem er mit seinem Insiderwissen zur Tat und den Ermittlungen und der Feststellung prahlte, das die derzeit Angeklagten nicht die Täter seien. „Die große Frage ist: Wer ist Anonymus“, so Staatsanwalt Lange – also der anonyme CD-Absender.

Ermittler schließen nicht aus, dass „Kreise und Szenen am Werk sind, die gezielt belastendes Material gegen Polizisten sammeln“. So verwiesen mehrere Polizei- und Szene-Insider gegenüber dem Tagesspiegel darauf, dass zumindest einer der Angeklagten engen Kontakt in die Rockerszene um den Klub „MC Gremium“ hatte. Ob sich Mario D. selbst in solchen Kreise bewegte, war gestern unklar.

Derzeit sähe es so aus, als habe „sich da ein unglaublich blöder Polizist besoffen in einer Kneipe um Kopf und Kragen geprahlt“, hieß es aus Kreisen des Innenministeriums. In Sicherheitskreisen war die rätselhafte CD auch als Versuch gewertet worden, die für heute vorgesehenen Aussagen von Kriminaltechnikern zu entwerten. Die Techniker hatten die Stimme auf einem Mailbox-Mitschnitt von der Tat Björn L. zugeordnet.

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