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Brandenburg: Angst vor PDS-Aufschwung SPD streitet über Konsequenzen aus der OB-Zitterwahl

Potsdam. Am Tag danach: Der Schreck sitzt den Potsdamer Sozialdemokraten noch in den Knochen.

Potsdam. Am Tag danach: Der Schreck sitzt den Potsdamer Sozialdemokraten noch in den Knochen. Dass die PDS am Sonntag beinahe den von Matthias Platzeck im Sommer geräumten Oberbürgermeister-Sessel in der Landeshauptstadt erobert hätte, hat in der Partei eine kontroverse Debatte über Ursachen und Konsequenzen ausgelöst. Nach Recherchen des Tagesspiegels mehren sich in der Potsdamer SPD Stimmen, die jetzt für eine Einbindung der erstarkten PDS in die Stadtregierung plädieren. „Das wäre sinnvoll“, sagt die Vize-Unterbezirksvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein: „Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“ Sie schließt nicht aus, dass der nur knapp unterlegene PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg Sozialbeigeordneter unter Oberbürgermeister Jann Jakobs werden könnte. Auch SPD-Unterbezirkschef Rainer Speer wollte „das nicht von vornherein ausschließen“. Im Gespräch für den Beigeordneten-Posten ist aber auch der PDS-Stadtchef und frühere Bundestagsabgeordnete Rolf Kutzmutz, der derzeit nach einem neuen Job sucht.

Den rot-roten Modellen widerspricht Harald Kümmel, Mitglied des Unterbezirksvorstandes: Es besteht keine Notwendigkeit die PDS „einzubinden“. Allerdings müsse die SPD jetzt beginnen, die Kommunalwahl 2003 vorzubereiten, um einen weiteren PDS-Aufschwung zu verhindern. Derzeit stellt die SPD mit 20 Abgeordneten zwar die stärkste Fraktion, hat aber in der 50-köpfigen Stadtverordnetenversammlung keine Mehrheit, was das Regieren schon für Platzeck schwierig machte. Die PDS ist mit 15 Abgeordneten zweitstärkste Kraft im Rathaus, die CDU hat nur sechs Stadtverordnete. Oberbürgermeister Jann Jakobs sagte am Montag: „Das Gewicht der PDS in der Stadtverordnetenversammlung steigt.“ Sein Problem: Gerade weil er mit einem sehr knappen Ergebnis gewählt wurde, braucht er stabile Mehrheiten, um die notwendigen unpopulären Sparbeschlüsse durchzubringen. Die CDU, die Jakobs Wahlhilfe verweigerte, gilt als unberechenbar.

Gestritten wird in der SPD auch über die Ursachen für den Beinahe-Gau, zumal die SPD auch die OB-Wahlen in Cottbus und Frankfurt (Oder) verloren und in Brandenburg (Havel) nur knapp gewonnen hat. Vor allem in den Neubaugebieten hatte Scharfenberg hoch gewonnen, während Jakobs in der Innenstadt und anderen Zuzügler-Gebieten vorn lag. Während Jakobs den sanften Wahlkampf verteidigt, gibt es in der Partei gerade daran Kritik: „Vor der Stichwahl hat die Polarisierung gefehlt“, sagte Wicklein. Auch die Harmoniefotos von Jakobs und Scharfenberg seien kontraproduktiv gewesen. In der innerparteilichen Schusslinie stehen insbesondere Speer und SPD-Landeschef Matthias Platzeck, weil sie „Jakobs im Regen stehen ließen“. Speer wird nicht nur für die fehlende „Wahlkampfführung“ verantwortlich gemacht, sondern auch dafür, dass Jakobs nicht einmal ein Wahlkampfteam hatte. Speer selbst verweist darauf, dass Jakobs keine Polarisierung wollte, gibt aber dennoch Fehler zu: „Wir haben unterschätzt, dass zwischen erstem und zweitem Wahlgang fünf Wochen lagen.“ Auch habe man den Krisen-Zustand der PDS nicht zum Thema gemacht. Speer wörtlich: „Wir haben uns einlullen lassen.“

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