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Brandenburg: Angst vor wüster Keilerei

Von Amts wegen wurde ein ganzes Rudel Wildschweine mitten in Schmargendorf abgeschossen – Experten verteidigen die Tötung der Tiere

Berlin. Der Abschuss eines ganzen Rudels Wildschweine im Schmargendorfer Wohngebiet hat zwar viele Anwohner empört und zu etlichen Anfragen bei den Forstbehörden geführt – aber die Tierexperten nicht weiter aufgeregt. Claudia Pfister vom Tierheim Berlin und Ragnar Kühne vom Zoologischen Garten betonten am gestrigen Donnerstag, die Jagdbehörde, die der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung untersteht, hätte richtig gehandelt. Bei der Abschuss-Aktion waren, wie berichtet, am Dienstagnachmittag am Messelpark und an der Heydenstraße nahe Clayallee zehn Frischlinge und zwei Bachen, die sich dort regelmäßig füttern ließen, erschossen worden. Es hätte Gefahr für die Menschen und die Verkehrssicherheit bestanden, hieß es weiter.

Es ginge nicht, Wildschweine einfach einzufangen und umzusiedeln, weil die Schweine auch in Gehegen in ihren gewohnten Gruppen lebten und es bei Zugängen weiterer Tiere dann zu einer „wüsten Keilerei“ kommen könne, sagte Claudia Pfister. Bei allem Mitleid mit den erlegten Tieren dürften drohende Gefahren für Menschen nicht unterschätzt werden.

Das am Hausvaterweg in Falkenberg gelegene Tierheim Berlin selbst dürfe keine Wildschweine unterbringen, sagte Frau Pfister weiter. Der Experte vom Zoologischen Garten, Ragnar Kühne, erinnerte daran, dass bei früheren Wildschwein-Jagden im Stadtgebiet Zoo-Veterinäre zugezogen worden seien, um die Tiere zu betäuben.

Das hierbei verwendete Mittel aber könne für Menschen tödlich sein, eine „Gefahr wie eine scharfe Waffe“ darstellen, sagte Kühne. Das Umsiedeln verdränge nur die Probleme. Im Berliner Zoo werden die artverwandten Bartschweine gehalten.

Petra Reetz, Sprecherin bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sagte, die „wahnsinnige Population“ der Wildschweine gehe auf die milden Winter zurück. Es gebe zwar noch Rudel, die sich wirklich nur in den Berliner Wäldern aufhielten. Weil sich aber dort immer mehr Rudel den Platz streitig machten, nähmen die mit Futter belohnten Streifzüge der Tiere durch die bewohnten Gebiete in der Stadt immer mehr zu – auch von anderen Wildtieren, etwa Füchsen. „Mir kam neulich am Strausberger Platz ein Waschbär entgegen,“ erzählte Petra Reetz. Marc Fanusch von der Forstbehörde betonte, eine Abschussaktion dieses Ausmaßes werde es in Berlin aber selten geben.

Rund 2300 Wildschweine wurden innerhalb von zwölf Monaten im Berliner Waldgebiet geschossen. Viele der getöteten Tiere werden nun vermarktet. Mit „Wild aus Berliner Wäldern“ wirbt ein Händler im Forstamt Tegel an der Ruppiner Chaussee, verkauft ganze oder zerlegte, haushaltsgerechte Portionen von Waldtieren.

Vielleicht wird das Angebot bald immer größer. Eine Wildschweinkeule Berliner Art kostet beispielsweise 12,50 Euro.

Christian van Lessen

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