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Früher war es selbstverständlich, Kartoffeln auf Vorrat im Keller zu bunkern. Dieses Foto entstand1948 auf dem Wittenbergplatz.

© Henry Ries / ULLSTEIN

Archäotechnica in Brandenburg: Sogar die Kartoffel ist bedroht

Alte Nutzpflanzen sterben aus – ein Förderverein kümmert sich um die Pflege. Pommes mit Ketchup wären ohne eine frühe Globalisierung undenkbar.

In der Politik ist Zuzug von Fremdlingen gerade ein brandheißes Eisen. Wie viele Flüchtlinge kann Deutschland aufnehmen und wären sie nützlich als Arbeitskräfte?

Die Landwirtschaft kennt solche Fragen nicht. Ihre Integrationsfähigkeit ist seit alters her unerschöpflich. Pommes mit Ketchup wären unbekannt, wenn nicht einst Kartoffeln und Tomaten aus Südamerika zu uns gekommen wären. Mais und Kürbis, Paprika und Sonnenblume reisten ebenfalls über den Atlantik nach Europa.

Umgekehrt werden Nutzpflanzen ganz schnell aussortiert, wenn sich die Zeiten ändern. Blau wogende Flachsfelder waren einst an der Küste und den regenreichen Hängen der Mittelgebirge überall zu sehen – vorbei. Baumwolle hatte einen schlagenden Preisvorteil gegenüber Leinen, das in vielen Schritten geröstet, gebrochen und gehechelt werden musste.

Der Waid wurde durch Indigo ersetzt

Der gelb blühende Waid – ursprünglich ein Einwanderer aus Asien – war die wichtigste Färbepflanze des Mittelalters. Zuerst wurde er durch Indigo, dann durch synthetische Farben ersetzt.

Zu den Nutzpflanzen gehört von Hause aus also eine wechselvolle Geschichte. Die Zahl der Arten aber ist seit den 1970er Jahren dramatisch gesunken, berichtet Lothar Adam vom Förderverein Alte Nutzpflanzen (FAN). Er wird am kommenden Wochenende bei der Archäotechnica in der Stadt Brandenburg mit einem Stand vertreten sein.

„Bis in die 70er Jahre wurden regelmäßig noch 30 bis 40 Kulturpflanzen angebaut“, berichtet Adam. Heute seien es höchstens neun: Hafer, Roggen, Weizen, Mais, Raps und Sonnenblume, dazu als Futterpflanzen Gras und Luzerne, bestenfalls noch Kartoffeln.

Doch auch dieser inzwischen als urdeutsch erscheinenden Pflanze geht es an den Kragen: „Die Anbaufläche in Brandenburg hat sich von über 100 000 auf 8000 Hektar verringert“, berichtet Lothar Adam. Die Nachfrage sei zurückgegangen und auch die früher übliche Direktvermarktung für die Landwirte nicht mehr lohnend. Viele andere Arten werden seit dem Wegfall der flächenbezogenen Beihilfen der EU für einzelne Kulturen im Jahr 2005 seltener angebaut.

"Wir sind keine Phantasten. Aber es macht Spaß"

Viel zu tun also für den FAN, der Informationsplattform für alle sein will, die mehr über Anbau und Nutzung alter Kulturpflanzen wissen möchten. Wobei Lothar Adam klar ist, dass dies immer ein kleines Segment bleiben wird: „Wir sind keine Phantasten. Aber es macht Spaß und findet Interessierte.“

Immerhin erlebten einige alte Nutzpflanzen mit der Ökobewegung in der Mode eine Renaissance, berichtet Adam. Nessel etwa, ein extrem reißfester Stoff aus den Fasern der Brennnessel. Oder Krapp, der einen roten Farbstoff aus der Wurzel liefert. Wer die Archäotechnica verpasst, kann sich am 27. September beim Rübchenfest in Teltow in einer Ausstellung des FAN im dortigen Schweinemuseum anschauen, wie die alten Färbepflanzen verwendet wurden.

Tipps zur Sonderausstellung "Neu ist nur das Wort"

Kein Flachs: Aus den Fasern der Brennnessel kann man Stoff weben.
Kein Flachs: Aus den Fasern der Brennnessel kann man Stoff weben.

© Picture Alliance / Manfred Ruckszio

Das Archäologische Landesmuseum Brandenburg zeigt noch bis zum 11. Oktober aus Anlass der Buga 2015 die Sonderausstellung „Neu ist nur das Wort: Globalisierungen bei Nutzpflanzen von der Vorgeschichte bis in die Neuzeit“.

Damit ist der Schwerpunkt für die diesjährige Archäotechnica gesetzt: „Die Kulturgeschichte der Nutzpflanzen“; 22./23. August, 10–17 Uhr. Eintritt: fünf Euro, erm. 3,50 Euro, Familien zehn Euro (Kinder unter zehn Jahren frei). Archäologen und andere Experten zeigen die Anwendung von Nutzpflanzen.

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