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Brandenburg: Artistenmuseum Klosterfelde: Eisbären schwitzen bei 40 Grad

Zärtlich streichelt die kleine Frau dem großen Eisbären das Fell. Sie fasst seine linke Pranke und flüstert ihm etwas zu, schmiegt sich an ihn.

Zärtlich streichelt die kleine Frau dem großen Eisbären das Fell. Sie fasst seine linke Pranke und flüstert ihm etwas zu, schmiegt sich an ihn. Gefährlich ist das nicht. Der Bär steht ausgestopft im Artistenmuseum Klosterfelde, rund 30 Kilometer nördlich von Berlin. Ursula Böttcher, die einst weltberühmte Eisbärendompteuse, sieht sich in der Ruhmes-Ecke um, die im Museum für sie eingerichtet worden ist. Ihre Freude währt aber nur kurz. Rasch wendet sie sich ab. Sie grollt noch immer über ihr abruptes Karriere-Ende, in den letzten Wochen ist Böttchers Zorn sogar noch größer geworden. Die Schuld hat, wie sie sagt, die Treuhand-Anstalt.

Die 73-jährige Trägerin aller möglichen Zirkuspreise hatte sich auf den Weg zu ihren in alle Winde verstreuten Eisbären gemacht. Im Sommer 1999 hatte Ursula Böttcher nach 47 Jahren Betriebszugehörigkeit die Kündigung vom damaligen Liquidator der Berlin Circus Union GmbH erhalten, die als Nachfolgerin des VEB Staatszirkus der DDR nach der Wende gegründet worden war. Die vor allem bei ihren Auftritten in den Vereinigten Staaten gefeierte Künstlerin scheiterte am bundesdeutschen Tierschutzrecht. Die Wagen und Käfige im Hoppegartener Winterquartier entsprachen nicht der Norm. Sie waren zu eng. Ohnehin seien Eisbären und andere große Tiere nicht für den Zirkus geeignet, hieß es damals vom Treuhand-Liquidator. Eine artgerechte Haltung sei nicht möglich.

"Darüber könnte ich mich heute noch schwarz ärgern", schimpft die resolute Ursula Böttcher. In Zoos würden Eisbären im Schnitt 20 Jahre alt. Bei ihr seien sie 38 Jahre und älter geworden. "Alles wegen meiner grenzenlosen Liebe", sagt sie. Sie zeigt auf eine Briefmarke, auf der ihr legendärer Zungen-Kuss mit einem Bären festgehalten ist. Dafür erhielt sie 1974 in Madrid den Zirkus-Oscar.

Und heute? "Ich habe meine Bären Boris und Kenny in einem Zirkus in Puerto Rico wiedergetroffen", erzählt sie. "Bei einer Hitze von 40 Grad müssen sie dort auftreten." Da frage niemand nach Tierschutz. "40 Grad, jawohl 40 Grad." Die Zahl sitzt im Gedächtnis fest. Der Treuhand-Liquidator hatte damit vor anderthalb Jahren die Pläne vom Tisch gewischt, die fünfköpfige Bärengruppe zusammen mit ihrer Dompteuse in einem spanischen Safari-Park unterzubringen. "Bei 40 Grad Celsius fühlt sich kein Eisbär wohl, hieß es damals", erinnert sich Frau Böttcher.

Auch den an einen französischen Privatzoo in Amneville bei Straßburg verkauften Tieren Tromsö und Olaf gehe es nicht gut. "Die langweilen sich dort zu Tode." Sie seien beim Rufen ihrer Namen sofort aus dem Becken gekommen und hätten sich verdutzt umgesehen. "Als ich nach einer Stunde wieder an ihrem Gehege vorbeikam, saßen sie noch immer an der gleichen Stelle." Sie hätten wahrscheinlich nur auf das Kommando für das nächste Kunststück gewartet. "Zirkustiere bleiben eben Zirkustiere. Aber das hatte die Leute von der Treuhand nicht interessiert. Sie wollten nur liquidieren", sagt Böttcher verbittert. Der fünfte Eisbär aus der Böttcher-Gruppe lebt im Berliner Zoo.

Heute fährt Ursula Böttcher so oft es geht nach Amerika. Durch ihre Auftritte als "kleine Frau mit großen Bären" hat sie immer noch Freunde und Bewunderer dort. Nur in Deutschland vermisst sie Anerkennung. Dreimal habe Böttcher sich an den Petitionsausschuss des Bundestages mit der Bitte um Aufklärung über die Zerschlagung des DDR-Staatszirkusses gewandt. Es seien nur lapidare Antworten mit dem Hinweis auf den Liquidator gekommen.

Mit dem vom Berliner Journalisten Roland Weise aufgebauten Artistenmuseum in Klosterfelde ist Ursula Böttcher zufrieden. Die Würdigung ihrer Arbeit sei angemessen, sagt sie und streichelt noch einmal den Eisbären.

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