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Brandenburg: Auch Professoren kassierten zu viel Trennungsgeld

Landesrechnungshof beanstandet 162 Fälle unberechtigter Zahlungen im Wissenschaftsbereich – auch an den früheren Minister Hinrich Enderlein

Potsdam - Die brandenburgische Trennungsgeld-Affäre hat größere Ausmaße als bisher bekannt. Nach Informationen des Tagesspiegel ist es auch im Wissenschaftsministerium gehäuft zu ungerechtfertigten Entschädigungszahlungen für getrennte Wohn- und Arbeitsorte gekommen. Bisher konzentrierten sich die Vorwürfe auf das Justizministerium.

Jetzt hat der Landesrechnungshof, der die Trennungsgeld-Zahlungen aller Ministerien untersucht, 162 Fälle im Wissenschaftsressort beanstandet – von 185 Fällen, die überprüft worden waren. In dem Ministerium sollen zwischen 1991 und 2003 rund 1,2 Millionen Euro Trennungsgeld zu viel gezahlt worden sein, wie aus der Landesregierung zu erfahren war, der der Prüfbericht vorliegt. Der Rechnungshof selbst lehnte eine Stellungnahme ab.

Beanstandet wurden auch Trennungsgeld-Zahlungen an den ersten brandenburgischen Wissenschaftsminister Hinrich Enderlein (FDP). Im Kulturministerium wird von „keinem gravierenden Fall“ gesprochen: Enderlein habe nach den Ergebnissen des Rechnungshofes einen „kleineren Betrag“ offenbar unberechtigt erhalten, hieß es. So wurden Enderlein nach Recherchen des Tagesspiegel 1992 rund 5000 Mark (etwa 2500 Euro) Trennungsgeld gezahlt. Doch soll es dem im November 1990 zum Minister berufenen Enderlein nicht zugestanden haben, da er in Berlin eine Wohnung hatte, einen Dienstwagen fuhr und das Geld zu spät (nach Ablauf der Ausschlussfrist von einem Jahr) beantragt wurde. Enderlein sagte dem Tagesspiegel: „Wenn da etwas nicht in Ordnung war, zahle ich das Geld selbstverständlich zurück.“

Die weitaus meisten und schwerwiegenden Beanstandungen betreffen die Hoch- und Fachhochschulen, wo mit 139 fast alle überprüften Fälle moniert wurden. Die Universität Potsdam ist mit 22 Fällen betroffen, die BTU Cottbus und die Europa-Universität Viadrina mit jeweils 31. Auch viele Professoren gehörten zu den Empfängern unberechtigt gezahlten Trennungsgeldes.

Besonders krasse Fälle: Ein lediger Hochschullehrer der Viadrina kassierte unberechtigt rund 92 000 Mark (etwa 47 000 Euro), eine leitende Mitarbeiterin der Fachhochschule Potsdam über 82 000 Mark (etwa 42 000 Euro).

Hauptgründe für die Überzahlungen im Wissenschaftsressort sind fehlende Kenntnis der Rechtsvorschriften und ihre fehlerhafte Anwendung durch das Ministerium und nachgeordnete Behörden. In einer Anzahl von Fällen waren Antragsteller nicht uneingeschränkt umzugswillig oder lehnten ein Angebot angemessenen Wohnraums ab, so dass nach den gesetzlichen Regelungen kein Trennungsgeld hätte gezahlt werden dürfen. Auch die dafür notwendigen Nachweise wurden oft nicht erbracht.

Ähnliche Ergebnisse brachten schon vor einiger Zeit Überprüfungen im Justizministerium: Dort sind von rund 1350 Trennungsgeld-Fällen 309 Vorgänge beanstandet worden und müssen überprüft werden. Rückforderungsbescheide sind laut Justizministerin Beate Blechinger (CDU) noch nicht abgeschickt worden. Dem Vernehmen nach drängt der Chef der Staatskanzlei, Clemens Appel, die betroffenen Ressorts, Rückforderungen zügig zu erheben.

Michael Mara

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