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Brandenburg: Aufwand gegen Rechts

Gefängnis-Projekt hilft radikalen Häftlingen – damit sie hinter Gittern nicht immer mehr werden

Spremberg. Küchenzeile, Neonröhren, ein Tisch, rote Stühle. Der Gruppenraum der Jugendhaftanstalt Spremberg ist spärlich möbliert. Zwei Fernseher wirken in dem kargen Raum riesig. Gleich werden sich acht junge Insassen, die als rechte Mitläufer gelten, hier einen Film über Stalingrad ansehen und dann über vermeintliche Helden reden. Das gehört zu dem Projekt „Präventive Arbeit mit rechtsextremistisch beeinflussten Jugendlichen“.

Rund 30 Prozent der Insassen in den brandenburgischen Jugendhaftanstalten gehören nach Einschätzung des Justizministeriums zum rechten Umfeld, zwei bis drei Prozent sollen tief im Rechtsextremismus verwurzelt sein. Weil diese potenziellen Rädelsführer im Gefängnis weitere Insassen auf ihre Seite ziehen könnten, hat das Justizministerium vor eineinhalb Jahren ein Modellprojekt gestartet, um die Mitläufer vor einem tieferen Abrutschen in die Szene zu bewahren. Bis Ende 2004 sollen die bundesweit einzigartigen Kurse laufen. Unterstützt wird das Vorhaben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Dort ist man mit den bisherigen Ergebnissen sehr zufrieden, wie der Chef der Bundesanstalt, Ulrich Dovermann, mitteilte. Etwas verhaltener sind die Meinungen in Spremberg. Erst drei bis vier Jahre nach der Entlassung der Häftlinge könne sicher gesagt werden, ob sich jemand von neonazistischem Gedankengut distanziert habe, sagt der Leiter des Projektes, der aus Personenschutzgründen ungenannt bleiben will. Gleichwohl, so der 46-Jährige, sei es ein großer Erfolg, dass die freiwilligen Kurse trotz massiver Verunglimpfungen aus der rechten Szene bislang immer voll belegt gewesen seien. 64 junge Männer haben seit Beginn an ihnen teilgenommen.

Sozialpädagoge Werner Krüger (Name geändert), weiß, dass er aus denen „keine linken Philosophen gemacht hat“. Aber immerhin, sagt er: „Sie denken anders über sich als vorher.“ Der 59-Jährige sagt über sich, dass er Konflikten nicht aus dem Weg geht. Das darf er auch nicht. „Die brennen doch darauf, ihren Nazi-Schrott loszuwerden“, sagt Krüger. „Die genießen es, wenn sie endlich einen Feind haben.“ Krüger diskutiert mit seiner Gruppe über Rechtsrock, Nazi-Mythen und Geschichtsklitterungen. Er versucht, halbgarem Geplapper mit Sachwissen zu begegnen, vor allem aber versucht er, junge Gewalttäter, die ihre Ausbrüche verharmlosen, unter Druck zu setzen. Oftmals, das wissen Krüger und sein Projektleiter aus Erfahrung, dient die rechte Ideologie nur dazu, Gewalt zu rechtfertigen. „Es geht um Lust an der Macht“, sagt der Projektleiter, „weniger um Ideologie“. Deshalb spielt der Pädagoge die Gewalttat in zahlreichen Gruppensitzungen immer wieder durch. „Wir wollen in Zeitlupe wissen, wie es klingt, wenn man jemandem ins Gesicht tritt“, sagt er.

Nur wer sich an die grauenvollen Einzelheiten erinnert, erinnert sich auch an die eigenen Körpersignale vor der Tat, die schlotternden Knie, die zitternden Hände und die Wut. „Und nur der“, sagt Krüger, „lernt solche Signale zu respektieren und schlägt mal eines Tages nicht zu.“

Frauke Herwig

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