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Brandenburg: Aus eigener Kraft

In Brandenburg/Havel ist die Zeit der Querelen vorbei. Oberbürgermeisterin Tiemann hat die Stadt auf Erfolgskurs geführt

Brandenburg/Havel - Die Stadt, die dem Land einst den Namen gab, gilt neuerdings als Aufsteiger. Tatsächlich hat sich Brandenburg an der Havel in der Ansiedlungsbilanz neuer Firmen mit fünf Neuansiedlungen und sechs Betriebserweiterungen 2005 landesweit überraschend auf den zweiten Platz geschoben – und liegt seitdem gleichauf mit der als „Selbstläufer“ geltenden Landeshauptstadt Potsdam. Nur Teltow-Fläming, der Erfolgs-Landkreis, ist noch besser. In wenigen Tagen wird Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) im Stadtteil Kirchmöser ein neues Gewerbegebiet offiziell einweihen – das anders als viele „beleuchtete Schafweiden“ im Land bereits zu über 90 Prozent ausgelastet ist. Das Erfolgsgeheimnis der Stadt? Brandenburgs Chef-Wirtschaftsförderer Detlef Stronk wurde einmal danach gefragt. Seine Antwort kam prompt: „Das liegt allein an der couragierten und energischen Oberbürgermeisterin.“

Gemeint ist Dietlind Tiemann, Christdemokratin, früher Bauunternehmerin. Seit 2003 regiert sie die Arbeiterstadt, die lange eine SPD-Hochburg war und doch von sozialdemokratischen Stadtvätern 13 Jahre lang herabgewirtschaftet wurde. Als Tiemann gewählt wurde, steckte Brandenburg in einer tiefen Krise. Es gab kaum Ansiedlungen, dafür Grabenkämpfe im Rathaus, die Lokalpolitiker galten als inkompetent. Die Sanierung der drei mittelalterlichen Stadtkerne stockte, das Zentrum, der Neustädtische Markt, lag brach, war zum Teil eine ewige Baugrube: das berühmte „Loch“, das Tiemann im Wahlkampf demonstrativ zuschütten ließ.

Und heute? „Es läuft so gut“, sagt Tiemann nachdenklich. Ganz so, als sei sie selbst über den Erfolg Brandenburgs, der auch der ihre ist, am meisten erstaunt. Mehr als 30 Firmenansiedlungen kann die einstige Unternehmerin, die mit Investoren umzugehen weiß, inzwischen verbuchen. Die Gewerbesteuern Brandenburgs sind allein seit 2004 von 15 Millionen Euro auf 18,5 Millionen Euro im Jahr 2005 gestiegen. Mit 248 Euro Gewerbesteuern je Einwohner 2005 hat Brandenburg damit gegenüber Cottbus (211 Euro) und Frankfurt (107 Euro) bereits klar die Nase vorn. Und selbst Potsdam, wo es 2004 noch 171 Euro waren – für 2005 liegen keine Zahlen vor – dürfte schlechter sein. Es wird viel gebaut in der Stadt, ob im historischen Ensemble der Innenstadt, oder am Pauli-Kloster, wo nächstes Jahr das archäologische Landesmuseum eröffnet wird. In die alte Spielwarenfabrik von Ernst Paul Lehmann, in der vor dem Krieg berühmte Blechspielzeuge wie der „Kletteraffe“ produziert wurden und die ein Jahrzehnt lang verfiel, zieht bald die Stadtverwaltung ein. Die Oberbürgermeisterin selbst wird 2007 im dann ebenfalls sanierten Altstädtischen Rathaus ihr Domizil nehmen. Tiemann nimmt längst die nächsten Projekte ins Visier: Der vergammelte Bahnhof, den die Stadt gekauft hat, soll endlich ein Schmuckstück werden, eine neue, wettkampftaugliche Sporthalle ist geplant. Klar, es gibt auch Kritik. Sie sei omnipräsent, regiere zu rigide im Rathaus, protegiere Vertraute, heißt es. Eins aber wirft Tiemann niemand vor: Führungsschwäche. Abwahl-Versuche wie in Cottbus? Rathaus-Querelen wie in Frankfurt? Ein Spaßbad-Fiasko nach städtischem Missmanagement wie in Potsdam? Aus Brandenburg hört man nichts derlei. Wie sich die Zeiten ändern.

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