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Brandenburg: Baby verhungert, Eltern verhaftet

Der sechs Monate alte Florian lag tot in seinem Bettchen, als sein Vater ihn fand. Der alarmierte daraufhin den Notarzt. Jetzt müssen sich die Eltern wegen Mordes vor Gericht verantworten. Dem Jugendamt waren sie vorher nicht aufgefallen.

Von Sandra Dassler

Der Anruf kam in der Nacht zum Mittwoch. Ein 21-Jähriger teilte der Rettungsstelle mit, dass sein sechs Monate alter Sohn leblos in seinem Bett liege. Der Notarzt konnte nichts mehr für den kleinen Florian tun. Da das Baby extrem abgemagert war, informierte er Polizei und die Staatsanwaltschaft, die eine Obduktion anordnete. Einen Tag später stand – so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft – fest: Florian war verhungert. Gegen die 19-jährige Mutter und den 21-jährigen Vater wurde inzwischen Haftbefehl wegen Mordes aus niederen Beweggründen erlassen.

Erst gestern informierten Polizei und Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit. Dem Jugendamt der Stadt hatten sie einen Tag vorher angeblich lediglich mitgeteilt, dass ein Kind gestorben sei. „Wir gingen von Unfall oder Krankheit aus, hatten keine Ahnung, dass es den Verdacht auf einen gewaltsamen Tod gibt“, sagte der Sprecher der Stadt, Sven Heseker, dem Tagesspiegel. Deshalb wisse er auch nicht viel über den familiären Hintergrund. Die jungen Eltern seien jedenfalls nicht vom Jugendamt betreut worden. Hinweise auf Probleme habe es nicht gegeben.

Die 19-jährige Mutter von Florian habe sich allerdings vor ihrer Volljährigkeit mehrmals in Obhut des Jugendamtes befunden. „Für ihre damalige Familie gab es Erziehungshilfen“, sagte der Sprecher: „Sie wurde seit ihrem 15. Lebensjahr zeitweise in Heimen untergebracht. Allerdings endeten die Kontakte, als sie 18 Jahre alt wurde.“ Über den 21-jährigen Vater lägen dem Jugendamt keine Informationen vor.

Die jungen Eltern leben erst seit kurzem in einer gemeinsamen Wohnung in Frankfurt (Oder). Die Staatsanwaltschaft hatte gegen sie Strafbefehle wegen Totschlags durch Unterlassen beantragt. Die Ermittlungsrichterin ging nach der gestrigen Vernehmung jedoch von Mord aus und schickte beide in U-Haft.

Frankfurts Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) war erschüttert über den neuerlichen Fall in seiner Stadt. Im Sommer 1999 waren zwei kleine Jungen in einer Plattenbauwohnung qualvoll verdurstet. Der Film „Die Kinder sind tot“ machte ihr Schicksal bundesweit bekannt. Weltweite Aufmerksamkeit erregte der Fall der heute 42-jährigen Sabine H. aus Frankfurt (Oder), die zwischen 1988 und 1998 neun Babys zur Welt brachte und tötete. „Wir müssen einfach mehr tun, um unsere Kinder zu schützen“, sagte Patzelt dem Tagesspiegel: „Wir haben sehr viele junge Mütter in Frankfurt. Die sind oft alleinerziehend oder leben in instabilen Partnerschaften. Da die traditionellen Familienstrukturen nicht mehr funktionieren, erhalten sie wenig Hilfe.“

Patzelt, der früher Sozialdezernent war, setzt sich seit langem für ein Begegnungszentrum für junge Mütter in der Oderstadt ein. Außerdem will er ein kommunales Kindergeld einführen, dass gestaffelt ausgezahlt wird – und zwar nur dann, wenn die Eltern nachweisen, dass sie mit ihren Kindern bei Vorsorgeuntersuchungen waren. „Ich kann nicht erkennen, warum dies die Freiheit der Eltern einschränken sollte“, sagte der CDU-Politiker: „Zumal viele von ihnen offenbar schlichtweg überfordert sind.“

Ob dies auch die Ursache für den Tod des kleinen Florian war, steht noch nicht fest. Aus ermittlungstaktischen Gründen wollten die Behörden gestern keine näheren Angaben zu dem aktuellen Fall machen. Die Spurensicherung der Polizei untersuchte gestern die Wohnung der jungen Familie. Florian war ihr erstes Kind. Vor dem Mietshaus hatten Nachbarn Kerzen angezündet und Plüschtiere abgelegt.

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