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© David Heerde

Berlin-Brandenburg International: Sie sind dann bald mal weg

Viele Gemeinden haben gegen ihre Umsiedlung für den Bau des Großflughafens gekämpft. In Kienberg freuen sich die Leute darauf - eine trügerische Idylle.

Von
  • Sandra Dassler
  • Matthias Matern

Kienberg - Vor knapp drei Wochen haben die Kienberger zum ersten Mal gesehen, wie die Straßen in ihrer neuen Heimat verlaufen: Ein Mähdrescher hatte Schneisen in das Kornfeld gefahren, das jetzt noch in Rotberg-Süd vor sich hinwogt. Die Schneisen zeigten an, wo beispielsweise der Birkenweg und die Volksgutstraße künftig sein werden.

Heute befinden sich der Birkenweg und die Volksgutstraße noch in der Siedlung Kienberg, die wie Rotberg zur Gemeinde Schönefeld gehört. Im Sommer leben hier mehr als 150 Menschen, im Winter sind es nur rund 100. Das liegt an den vielen Wochenendgrundstücken. Aber egal, ob Eigenheim- oder Datschenbesitzer, die Kienberger wollen hier weg. Im Gegensatz zu vielen anderen Anrainern des künftigen Großflughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) haben sie in den vergangenen Jahren nicht gegen ihre Umsiedlung gekämpft, sondern dafür.

Natürlich wären auch die Kienberger lieber geblieben. Aber als vor sechs, sieben Jahren die Pläne für den Großflughafen Gestalt annahmen, wussten die Einwohner, was ihnen bevorstand: Durch ihr Dorf wird außerdem noch die sechsspurig ausgebaute Autobahn führen sowie die Eisenbahnlinie mit Güterverkehr und ICE-Trasse. Dass angesichts dieser Belastungen nur der Teil von Kienberg umgesiedelt werden sollte, der nördlich der Bahnlinie liegt, haben die Einwohner nie nachvollziehen können.

„Die südlich der Bahnlinie angesiedelten Kienberger sollten zwar durch Lärmschutzmauern geschützt werden, aber von Lebensqualität kann da keine Rede mehr sein“, sagt Veronika Protz. Die 54-jährige Sozialarbeiterin begann sich Gedanken zu machen: „Ich dachte, wenn die Bahn und der Flughafen das Geld für die Lärmschutzmauern in eine Art Fonds einzahlen, dann kann man doch vielleicht davon die Umsiedlung bezahlen.“

Gemeinsam mit anderen gründete Veronika Protz die Interessengemeinschaft Kienberg. Am Anfang seien alle sehr skeptisch gewesen, erzählt sie, aber schließlich habe man mit großer Unterstützung der Gemeinde die „etwas verspinnerte Idee“ in die Tat umgesetzt.

Schönefelds Bürgermeister Udo Haase spricht von einem deutschlandweit einmaligen Projekt. „Bahn, Flughafen und Autobahn steuern das bei, was sie für den Lärmschutz ausgegeben hätten“, erklärt er: „Die Gemeinde gibt auch etwas dazu und der Hauptteil kommt von einer Gesellschaft, die sich um die künftige Vermarktung der frei werdenden Flächen kümmert.“ Die Lage an der Autobahn dürfte vor allem für Speditionen und andere Firmen interessant sein, die im Gegensatz zu den Bewohnern die Flughafen-Nähe schätzen beziehungsweise brauchen.

„So kam genug Geld zusammen, um jedem Einwohner von Kienberg einen Neuanfang zu ermöglichen“, sagt Veronika Protz. Die Gemeinde Schönefeld stellt die Grundstücke in Rotberg-Süd bereit, aber nicht alle werden dort neu bauen. Vor allem alte Leute nehmen lieber das als Entschädigung gedachte Geld und verkaufen ihr neues Grundstück, um in die Stadt zu ziehen. Den Alten fällt die Umsiedlung oder Umlegung, wie es offiziell heißt, auch am schwersten, sagt Veronika Protz: „Mancher hat lange gezweifelt. Und manchem wird erst jetzt angesichts der fortschreitenden Bauarbeiten klar, dass es wirklich besser ist, anderswo zu leben.“

Tatsächlich ist Kienberg inzwischen von Zäunen völlig eingekreist: vom Flughafen, von der Baustelle der Autobahn-Verlängerung und von der Eisenbahntrasse. Gedämpft hört man die Geräusche von Baggern und Baufahrzeugen, die Straßen sind mit einer leichten Sand- und Staubschicht bedeckt. Die meisten der rund 120 kleineren Siedlungshäuser sind noch bewohnt, was an den liebevoll gepflegten Vorgärten zu erkennen ist. Hier haben vor allem Kriegsflüchtlinge aus dem Osten gebaut, später gesellten sich Schrebergärtner aus Berlin zu ihnen.

Der kommende Winter wird der letzte für Kienberg sein, sagt Veronika Protz und es klingt trotz aller Freude über den erkämpften Umzug etwas wehmütig. Sobald die Felder in Rotberg-Süd abgeerntet sind, gehen die Bauarbeiten dort los.

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