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Brandenburg: Beschwerde gegen Deutschland bei UN

Sinti und Roma wenden sich an die Vereinten Nationen, weil die Brandenburger Justiz keine Chance sah, gegen rassistische und diskriminierende Äußerungen eines bayerischen Polizeibeamten vorzugehen

Potsdam - Der Zentralrat Deutsche Sinti und Roma hat wegen Entscheidungen von Brandenburger Gerichten und Staatsanwaltschaften offiziell Beschwerde beim UN-Komitee zur Beseitigung von Rassismus (CERD) in Genf eingelegt. Sie richte sich gegen die ablehnende Rechtspraxis der Justiz im Falle volksverhetzender Äußerungen eines Polizeibeamten aus Bayern, sagte der Zentralratsvorsitzende Romani Rose am Dienstag nach einem Treffen mit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in Potsdam.

Der Vorfall, der den Zentralrat der deutschen Sinti und Roma empört, hat allerdings nur mittelbar mit dem Land Brandenburg zu tun. Auslöser war ein Leserbrief des bayerischen Polizeibeamten und stellvertretenden Landesvorsitzenden des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BDK), Peter Lehrieder, im BDK-Fachblatt „Der Kriminalist“, das in Neuruppin in einer Auflage von 20 000 Exemplaren gedruckt wird. Lehrieder hatte darin im Oktober 2005 über die „Kriminalität von Sinti und Roma“ räsoniert und ihnen unterstellt, sie fühlten sich als „Made im Speck der Wohlfahrtsgesellschaft“ und nähmen ihre „Legitimation für Diebstahl, Betrug und Sozialschmarotzerei aus dem Umstand der Verfolgung im Dritten Reich.“ Der Beamte ist vom bayerischen Innenministerium wegen dieser Äußerungen mittlerweile in eine andere Dienststelle versetzt worden.

Für die Vertreter der Sinti und Roma in Deutschland sind die Äußerungen Lehrieders „Volksverhetzung“. Doch ihre Versuche, sie strafrechtlich ahnden zu lassen, schlugen bislang fehl. Nach einer Strafanzeige des Zentralrats hatten die bayerischen Ermittlungsbehörden den brisanten Fall nach Brandenburg abgegeben, weil die BDK-Zeitschrift in Neuruppin erscheint.

Doch nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Neuruppin, die von der Generalstaatsanwaltschaft bestätigt wurde, ist der Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt - zum Entsetzen der Sinti und Roma, wie Romani Rose sagte. „Die NPD feiert das im Internet.“ Auch ein Klageerzwingungsverfahren vor dem brandenburgischen Oberlandesgericht kam zu dem gleichen Ergebnis wie die Neuruppiner Staatsanwälte. Da in Deutschland nun alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind, wählt der Zentralrat der Sinti und Roma nun den Gang zur UN. Es ist die erste Beschwerde gegen Deutschland gemäß Artikel 14 der „Internationalen Konvention zur Beseitigung von rassistischer Diskriminierung.“

Ministerpräsident Platzeck äußerte am gestrigen Dienstag Verständnis für die Empörung der Sinti und Roma über die Verlautbarungen des Polizeibeamten. Auch wenn diese strafrechtlich nicht relevant sein sollten, so Platzeck, müsse eins klar sein: „Solche Entgleisungen sind verabscheuungswürdig. Sie gehören von Politik und Gesellschaft verurteilt“ Platzeck kündigte an, dass Brandenburg den Zentralrat der Sinti und Roma in einer anderen Zentralen Forderung unterstützt. Die Landesregierung will auf Bundesebene einen neuen Vorstoß prüfen, den Straftatbestand für Körperverletzungen aus rassistischen Motiven zu verschärfen.

Ein erster Anlauf Brandenburgs im Jahr 2000 hatte im Bundesrat allerdings keine Mehrheit gefunden. „Die Landesregierung wird nach Wegen suchen, bestehende Bedenken zu überwinden“, versicherte der Regierungschef. Platzeck sprach sich auch für einen zügigen Bau des Mahnmals zu Ehren der von den Nazis ermordeten Sinti und Roma in Berlin aus. „Dieses wichtige Denkmal in der deutschen Hauptstadt muss endlich Wirklichkeit werden“, sagte Platzeck.

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