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Bodenreformaffäre: Die drei wichtigsten Urteile

Potsdam steht am Pranger. Die obersten Gerichte haben das Rechtsverständnis der Landesregierung demontiert. Doch wie erklärt sich der unüblich scharfe Ton, den die Richter bei der Verurteilung der Enteignung von Bodenreformflächen anschlagen?

Ein genauer Blick in die drei wichtigsten Urteile aus den Jahren 2004 und 2007 machen deutlich: Potsdams Strategie bei der Landnahme rüttelt an den Grundfesten des Rechtsstaates. Sie stellt die Gewaltenteilung in Frage - und damit Rechtsprechung und Gerichte.

Potsdam verletzt das Gesetz

Die erste scharfe Schelte der Richter stammt aus dem Jahr 2004: „Das Grundbuchamt hat unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften den Beteiligten (Potsdam; Anm. d. Red.) als Eigentümer eingetragen“, schreibt das Brandenburgisches Oberlandesgericht. Diese Rechtsverletzung kritisieren die Richter deshalb so scharf, weil sich Potsdam das Land nahm durch eine „verwaltungsinterne Genehmigung“, wo es eigentlich die Genehmigung eines Gerichts einholen musste. Diese Strategie habe zur Folge, „dass jegliche Kontrolle des Verwaltungshandelns - entgegen dem Grundsatz der Gewaltenteilung - unterbleibt“. Ein vernichtendes Urteil, denn die Gewaltenteilung zählt zu den Grundfesten eines Rechtsstaates. Die Folge der Rechtsverletzung: „Durch die Eintragung des Beteiligten (Potsdam; Anm. d. Red.) als Eigentümer ist das Grundbuch unrichtig geworden“, so die Richter. Einfach ausgedrückt: Potsdam nimmt sich das Recht, fremdes Land zu nehmen - ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz.

Unrecht am Erben in dessen Namen

Im vergangenen Jahr verurteilt das Brandenburgische Oberlandesgericht erneut Potsdams Landnahme. Und wieder demontieren die Richter die Strategie, die in 10.000 Fällen angewandt werden sollte. Im Zentrum der Kritik steht die doppelte Funktion, die sich die Verwaltung bei der Enteignung der Grundstücke anmaßt: Einerseits vertritt Potsdam die eigenen Interessen, die Bodenreformflächen noch schnell rechtzeitig in Landesvermögen zu überführen. Andererseits bezeichnet es sich selbst als „gesetzlichen Vertreter“ der Grundeigentümer, die enteignet werden sollen und erklärt in deren Namen sinngemäß: ’Ich möchte, dass mir meine Grundstücke enteignet werden durch Potsdam’. Ob dies im Interesse des Enteigneten liegt, ist zu bezweifeln. Die Richter äußerten sich dazu nicht. Sie stellten aber unmissverständlich klar: „Die Wirksamkeit des von einem solchen Vertreter geschlossenen Geschäfts bleibt von einer Genehmigung abhängig.“ Und diese Genehmigung könne ausschließlich das allein zuständige Vormundschaftsgericht erteilen. Doch das ließ Potsdam links liegen.

Täuschen, um Eigentum zu entziehen

Im Dezember vergangenen Jahres befassten sich schließlich die obersten Richter mit dem Fall. Der Bundesgerichtshof prüfte nicht den zentralen Kritikpunkt des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, weil Potsdam außerdem noch die ihm „verliehene Vertretungsmacht“ der Grundeigentümer „missbrauchte“. Schon deshalb sei die Landnahme „sittenwidrig und nichtig“ und Potsdams Verhalten „eines Rechtsstaats unwürdig“. Der Missbrauch der Vertretungsmacht liege darin, dass Potsdam weder prüfte noch prüfen konnte, ob ein Anspruch der Erben auf die enteigneten Flächen überhaupt bestehe. Vielmehr „erfolgte dies ins Blaue hinein und war inhaltlich falsch“, so die Richter. Hart beurteilen sie auch die Art, wie Potsdam die eigenmächtige Landnahme Ämtern gegenüber begründete: Dies „war allenfalls geeignet, einen Dritten zu täuschen“. Potsdams Motive seien durchsichtig: „Sie dienten allein dem Vorteil“ des Landes. Und Potsdams Begründung für die tausendfache angewandte Verletzung des Rechts? „Bemerkenswert abwegig“ - so die obersten Richter wörtlich.

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