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© dpa-Zentralbild

Bombodrom: Die Heide bebt

Ob das Bombodrom künftig von Wanderern oder weiter von Soldaten genutzt wird, bleibt umstritten.

Schweinrich - Fast sieben Wochen nach dem Verzicht der Bundeswehr auf das Bombodrom wird das Gelände bei Wittstock buchstäblich beben. Sprengkommandos wollen am morgigen Dienstag zahlreiche Minen und Granaten zur Detonation bringen, da sie wegen ihrer Gefährlichkeit nicht anders zu entschärfen sind. „Da wird es ordentlich rumsen“, sagte ein Bundeswehroffizier.

Minen und Munition sind die brisanten Hinterlassenschaften der sowjetischen Armee, die vier Jahrzehnte lang in dem 14 000 Hektar großen Wald- und Heidegebiet weitgehend unkontrolliert und ohne Rücksicht auf die Umwelt täglich alle möglichen Waffen testete – aus der Luft und am Boden. Beim Abzug in die Heimat 1992 hinterließ sie keine Unterlagen. Die Bundeswehr schätzt jetzt, dass sich die für Laien kaum fassbare Zahl von 1,5 Millionen Blindgängern, Granaten, Minen und anderem Militärschrott auf dem Geländer befindet.

In der Region wird jetzt heiß diskutiert, ob und wann die Kyritz-Ruppiner Heide tatsächlich frei sein kann, wie es die Bürgerinitiative „Freie Heide“ seit 1992 fordert. Bei deren Feier zum 17. Geburtstag der Bürgerbewegung meldeten sich am Sonntag in Schweinrich bei Wittstock die Gegner der militärischen Nutzung des Geländes mit klaren Forderungen zu Wort: „Wir verlangen die kurzfristige Bereitstellung der notwendigen Gelder für die Altlastenbeseitigung“, hieß es einmütig. Außerdem wandten sich Redner vehement gegen Überlegungen, aus dem Bombodrom einen Truppenübungsplatz für das Heer zu machen. Minister Franz Josef Jung (CDU) hatte am 9. Juli zwar den Verzicht eines Luft-Boden-Schießplatzes verkündet, die weitere Zukunft des Geländes aber offengelassen. Christian Gilde (SPD), Landrat des Kreises Ostprignitz-Ruppin, konterte gestern: „Wir werden kämpfen, bis wir die Heide zurückbekommen.“

Nicht nur die Schätzungen der Menge des auf dem Bombodrom vermuteten Kriegsschrotts gingen in den vergangenen Tagen nach oben. Auch die Kosten für die Munitionsräumung schienen plötzlich ins Unermessliche zu steigen: Statt 220 Millionen Euro, wie ursprünglich geschätzt, würden jetzt fast 400 Millionen Euro gebraucht, hatte der Standortkommandant Oberstleutnant Thomas Hering vergangene Woche erklärt. Kurz darauf dementierte das Verteidigungsministerium dessen Berechnungen. Zudem hatte ein Sprecher der Bundeswehrverwaltung, der namentlich nicht genannt werden wollte, vor einigen Tagen dem rbb-Sender Antenne Brandenburg gegenüber eine Nutzung des Geländes durch das Heer für möglich gehalten, seine Worte später aber als „unglücklich gewählt“ relativiert.

Die Debatten lösten viele Spekulationen aus. „Vielleicht wollen einige Militärs mit den hohen Entsorgungskosten eine friedliche Nutzung der Heide als unmöglich hinstellen“, sagte Rheinsbergs Bürgermeister Manfred Richter. „Die Summen werden ja immer größer.“ Andererseits erscheint ein Übungsplatz für Bodentruppen angesichts der Munitionsbelastung vielen Beobachtern als waghalsig. Bei dem ursprünglich als Zielgebiet für Bombenabwürfe geplanten Platz hätten im Boden lagernde Blindgänger dagegen keine Rolle gespielt.

Wahrscheinlich hängen die höheren Schätzungen auch mit der zufälligen Entdeckung von Schmetterlingsminen in einem bisher als ungefährlich geltenden Abschnitt zusammen: Da diese Minen mit einem Plastikmantel umgeben sind, schlagen normale Metalldetektoren nicht an. Bis heute zerfetzen sie in Afghanistan Gliedmaßen von Zivilisten. Bevor sie dort bei der sowjetischen Invasion 1979 zum Einsatz kamen, wurden sie auf dem Bombodrom getestet. Übungsplatzkommandant Hering war auf die Minen während einer Tour mit einer Journalistin gestoßen und sprach von großem Glück, das nichts passiert sei: „Seitdem feiere ich zweimal meinen Geburtstag“, sagte er erleichtert. Auch die ersten 100 Exemplare dieser Minen werden morgen gesprengt.

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