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Brandenburg: "Bombodrom": Truppenübungsplatz steht auf der Kippe

Die Fahrt auf der schmalen Straße zwischen den Dörfern Zechlin und Schweinrich ist ein Ausflug in die Vergangenheit: Rechts und links mehrstöckige Führungsstellen, gespenstische Steinbaracken, verwitterte Schilder in russischer Sprache, Bombentrichter in der von kleinen Büschen und Kiefern geprägten Landschaft. "Bombodrom", sagen die Einwohner der umliegenden Orte dazu.

Die Fahrt auf der schmalen Straße zwischen den Dörfern Zechlin und Schweinrich ist ein Ausflug in die Vergangenheit: Rechts und links mehrstöckige Führungsstellen, gespenstische Steinbaracken, verwitterte Schilder in russischer Sprache, Bombentrichter in der von kleinen Büschen und Kiefern geprägten Landschaft. "Bombodrom", sagen die Einwohner der umliegenden Orte dazu. So hieß die Kyritz-Ruppiner Heide schon zu "Russenzeiten", zwischen 1952 und 1992. Damals trainierten Tiefflieger Abwürfe von Bomben und Raketen, während Bodentruppen Manöver abhielten. Auch SS-20-Raketen standen hier, unweit der Autobahn Berlin-Rostock. Als nach dem Abzug der russischen Truppen die Bundeswehr kam, hallte ein Schrei der Empörung durch die Heide. Am Donnerstag entscheidet nun das Bundesverwaltungsgericht über die Bundeswehrpräsenz.

Mehr als ein Dutzend Dörfer und Städte, darunter das nur 15 Kilometer vom Übungsplatz entfernte Rheinsberg, und Kirchengemeinden kämpfen seit acht Jahren in der Bürgerinitiative "Freie Heide" gegen die Nutzung des 142-Quadratkilometer-Areals als Bombenabwurfplatz. Statt dessen sollte es für Touristen geöffnet werden. Die Bundeswehr argumentiert, auch der Osten müsse seinen Beitrag bei Truppenübungsplätzen leisten, die Tieffluggebiete im niedersächsischen Nordhorn und im bayerischen Siegburg sollen entlastet werden. Bis zu 3000 Überflüge und Abwürfe von Attrappen plant die Bundeswehr pro Jahr. Bis 1992 flogen die MIG-Piloten jährlich rund 25 000 Einsätze mit größtenteils scharfen Waffen. Der damalige Krach erstickte nach den Erzählungen von Anwohnern jedes normale Leben.

1998 und 1999 waren die Ostermärsche an den Rand des Übungsplatzes mit mehr als 5000 Teilnehmern die größten in ganz Deutschland. Starke Hoffnungen setzte die "Freie Heide" in den SPD-Sieg bei den Bundestagswahlen 1998. Vier Jahre zuvor hatte der damalige Kanzlerkandidat Rudolf Scharping versprochen, dass es mit der SPD kein Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide geben werde. Doch heute schweigt der Bundesverteidigungsminister, verweist auf die anstehende Gerichtsentscheidung. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) und das Brandenburger Oberverwaltungsgericht hatten bereits für die Übungsplatzgegner entschieden. Doch die Bundeswehr legte Revision ein. Jetzt muss das Bundesverwaltungsgericht als letzte Instanz entscheiden.

In der Region gibt es nicht nur Gegner des Übungsplatzes. Vor allem Mittelständler haben eine Initiative "pro Bundeswehr" ins Leben gerufen, die 1999 immerhin mehr als 1000 Demonstranten mobilisieren konnte. Sie erhoffen sich von der in Aussicht gestellten 1200-Mann-Garnison neue Arbeitsplätze und Aufträge. Sollte das Gericht morgen jedoch gegen die Bundeswehr entscheiden, müsste die Heide wahrscheinlich schon bis zum Jahresende vom Militär geräumt werden.

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