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Brandenburg: Bräutigam: Ausbruch durch "Verkettung unglücklicher Umstände" möglich

POTSDAM .Justizminister Hans Otto Bräutigam hat einen Rücktritt wegen der jüngsten Häftlingsausbrüche abgelehnt.

POTSDAM .Justizminister Hans Otto Bräutigam hat einen Rücktritt wegen der jüngsten Häftlingsausbrüche abgelehnt.Er sehe keinen Anlaß dafür.Gegenüber dieser Zeitung sagte er, Fehlverhalten und Versäumnisse von Bediensteten seien nicht festzustellen.Die Flucht der beiden Rumänen aus der Justizvollzugsanstalt in Brandenburg/Havel sei auf eine "Verkettung unglücklicher Umstände" zurückzuführen.Die Opposition spricht hingegen von einem neuen Skandal.Auch der jüngste Ausbruch sei auf Sicherheitsdefizite zurückzuführen.

Auf Antrag der PDS soll der Rechtsausschuß noch in dieser Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommen.Bräutigam hatte nach der Flucht des Hintze-Entführers Serow im letzten November seinen Rücktritt angeboten, der von Ministerpräsident Stolpe aber abgelehnt worden war.

Seither gilt der Justizminister als angeschlagen.Bräutigam wies den Vorwurf der Opposition zurück, die Gefängnisse in Brandenburg seien personell unterbesetzt.Nach Angaben des rechtspolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion, Rainer Neumann, konnten in der Fluchtnacht in der JVA Brandenburg wegen Personalmangels nicht alle Wachtürme besetzt werden.Laut Ministerium handelt es sich dabei jedoch um Türme eines Arbeitsgeländes außerhalb der Gefängnismauern.Bräutigam wies den Vorwurf der Personalnot im Justizvollzug zurück: Das Land habe, bezogen auf die Häftlinge, "überdurchschnittlich viel Personal".Er sehe keine Notwendigkeit, es zu verstärken.Doch seien intensive Schulungsmaßnahmen erforderlich.Die Opposition forderte Bräutigam auf, Konsequenzen aus dem jüngsten Ausbruch zu ziehen.Der parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Fraktion, Heinz Vietze, verlangte ein Sofortprogramm zur Erhöhung der Sicherheit.Sein Kollege Dierk Homeyer von der CDU sagte, daß jetzt eine unabhängige Experten-Kommission die Sicherheitsstandards in den brandenburgischen Gefängnissen untersuchen müsse.Es sei offenkundig, daß Bräutigam das Sicherheitsproblem mit seinen eigenen Leuten nicht in den Griff bekomme.

Homeyer verlangte außerdem, daß in einer Sonderaktion die Zellen aller Gewalttäter und Schwerverbrecher gründlich durchsucht werden müßten.Er frage sich, welche Ausbruchswerkzeuge in den Zellen noch aufbewahrt würden.Bräutigam schloß nicht aus, daß nach dem jüngsten Ausbruch die Haftraumkontrollen intensiviert werden.

Von den beiden U-Häftlingen fehlt noch jede Spur

BASDORF (Tsp/ADN).Von den beiden rumänischen Untersuchungshäftlingen, die in der Nacht zum Sonntag aus dem Gefängnis Brandenburg/Havel ausgebrochen sind, fehlt bisher jede Spur."Wir haben noch keine Hinweise aus der Bevölkerung bekommen", sagte gestern der Sprecher des Landeskriminalamts (LKA), Peter Salender.Auf den 27jährigen Vasile H.und den 26jährigen Kostinanu B.seien jetzt Zielfahnder des LKA angesetzt worden.Es laufe eine internationale Fahndung.Der Bundesgrenzschutz sei alarmiert, um einen Grenzübertritt der beiden Schwerkriminellen zu verhindern.Ihnen wird schwerer Raub und Erpressung vorgeworfen.Sie waren seit Mai 1998 in Untersuchungshaft.

Unterdessen untersuchen Mitarbeiter des Justizministeriums die Fluchtumstände.Laut Ministerium hatten die beiden Häftlinge gegen ein Uhr nachts die Gitterstäbe ihrer Zelle im Parterre des Hafthauses mit einem Sägeblatt durchsägt.Anschließend sei es ihnen gelungen, die 5,40 Meter hohe Mauer mit einer selbstgebastelten Leiter aus Bettgestellteilen und Tüchern zu überwinden.Dabei hätten sie Alarm ausgelöst.Den Angaben zufolge konnten die Beamten in den Wachtürmen die Flüchtenden wegen Schneetreibens nicht orten.Zum Fluchtort geeilte Vollzugsbeamten kamen zu spät, eine Polizei-Fahndung war erfolglos.Laut Justizministerium gilt die JVA-Brandenburg (Havel) jedoch als "eine der sichersten im Land".

Die Herkunft des Eisensägeblattes ist unklar.Die beiden Gefangenen hatten den Angaben zufolge keinen Zugang zu Werkstätten oder Werkzeugen.Die letzte Kontrolle ihres Haftraumes am Freitag habe keine Anhaltspunkte für eine Flucht gegeben.Die Zellen würden einmal pro Woche untersucht, Päckchen mit Metalldetektoren überprüft.Zuletzt waren die beiden Männer beim Verschluß am Samstag gegen 22 Uhr in ihrer Zelle gesehen worden.

In Brandenburg gab es seit 1991 insgesamt 54 Ausbrüche aus Haftanstalten.Dabei entwichen 134 Häftlinge, 85 konnten gestellt werden.In der Justizvollzugsanstalt Brandenburg (Havel) hat es nach Angaben des Justizministeriums nach 1991 bislang zwei Ausbrüche gegeben.

MICHAEL MARA

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