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Brandenburg: Ohrfeigen für Erstklässler – Lehrerin vor Gericht

Eine 57-jährige Grundschullehrerin soll mindestens sieben Mal Schüler geschlagen haben. Der Fall wird nun vor dem Amtsgericht Königs-Wusterhausen verhandelt. Die Angeklagte weist die Vorwürfe zurück und spricht von einer Kampagne der Eltern.

Noch nie zuvor hatte sich in Brandenburg eine Grundschullehrerin wegen Körperverletzung an ihren Schülern vor Gericht zu verantworten. Entsprechend groß war gestern das Interesse an der Verhandlung gegen die 57-jährige Sieglinde B. im Amtsgericht Königs Wusterhausen. Den Prozessauftakt verfolgten nicht nur zahlreiche Lehrerkollegen und Eltern, sondern auch Mitglieder mehrerer Kinderschutzvereine. In mindestens sieben Fällen soll die Lehrerin laut Anklageschrift Kinder einer ersten Klasse in der Schule Eichwalde mit der flachen Hand auf den Hinterkopf, die Stirn oder eine Kopfhälfte geschlagen haben. Während drei Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Zeugen vernommen wurden, erhoben deren Eltern schwere Vorwürfe gegen die Angeklagte: Sie habe nicht nur Gewalt ausgeübt, sondern den Kindern auch die Freude am Lernen genommen und ihnen psychische Schäden fürs ganze Leben zugefügt.

Sieglinde B. wies alle Vorhaltungen zurück. „Sie entbehren jeder Grundlage“ und seien eine „Kampagne der Eltern“, sagte sie in einer vorbereiteten Erklärung. Seit 1971 arbeite sie als Lehrerin, habe in der DDR den Abschluss der zehnten Klasse gemacht und anschließend eine vierjährige Ausbildung auf einer Fachschule absolviert. Berlin, Prenzlauer Berg, Königs Wusterhausen und seit dem Jahr 2000 Eichwalde, so lauteten ihre Stationen. Als die ersten Eltern im Frühjahr vergangenen Jahres Strafanzeigen gegen sie erhoben hatten, wurde sie vom Schulamt nach Großziethen versetzt. Sie unterrichtet Deutsch, Rechnen und Kunsterziehung und lässt sich im Prozess gleich von zwei Rechtsanwälten verteidigen.

Die Staatsanwaltschaft listete gestern sieben Vorfälle zwischen Dezember und Februar 2006 auf, in denen Sieglinde B. als Klassenlehrerin vier Schüler mit der flachen Hand geschlagen haben soll. Die Anlässe, wie sie von den Kindern den Eltern und der Polizei erzählt wurden, waren banal: Ein Schüler kam zu spät in den Klassenraum, ein anderer verstand eine Rechenaufgabe nicht. Ein Mädchen war nicht rechtzeitig mit einem Pinsel und einem Abakus zur Stelle und ein anderes Kind hatte Essensreste weggeworfen.

Eine als Zeugin gehörte Mutter berichtete von einer strengen Einteilung der Schüler in der Klasse von Sieglinde B. in „gut, mittel und schlecht“. Ihr Sohn habe durch dieses frühe Abstempeln jede Motivation verloren. „Ich bin so blöd. Ich will nicht mehr in die Schule“, schrieb das Kind in einem Brief an seine Eltern.

Angelika Bachmann vom Verein „Lernen ohne Angst“ nannte den Gerichtsprozess „ein kleines Wunder“. Üblicherweise würden solche Vorfälle in den Schulen vertuscht. „Entschließen sich die betroffenen Eltern dann doch zu Strafanzeigen, stellen die Staatsanwaltschaften die Verfahren meist wieder ein.“ Was die Angeklagte betreffe, hätten die Aufgaben sie wohl überfordert. Brandenburg habe im Unterschied etwa zu Sachsen die Grundschullehrer nach der Wende nicht ausreichend nach fachlichen Kompetenzen überprüft.

Nach Angaben des Brandenburger Bildungsministeriums gab es in den beiden vorangegangenen Schuljahren sechs Fälle, in denen Lehrer Gewalt ausgeübt hätten. Teilweise seien den Attacken Provokationen und Störungen des Unterrichts vorausgegangen, hieß es. „Leider wird die psychische Gewalt völlig ausgeblendet“, kritisierte die Vereinschefin Angelika Bachmann. „Die Schläge gab es in Eichwalde vor der versammelten Klasse“, sagte sie. „Das demütigt das Opfer noch zusätzlich.“

Der Prozess wird am 8.Februar fortgesetzt.

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