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Brandenburg: Brandenburg träumt, Sachsen baut

Während in Dresden die Wirtschaft boomt, scheitern die Märker. Das liegt auch an der Realitätsferne der Politiker

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder). Noch einmal wollen sich die Einwohner von Frankfurt nicht für dumm verkaufen lassen. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Chipfabrik gescheitert ist“, sagte gestern ein Sprecher der Stadt. „Aber wir wollen ganz genau wissen, wer die Schuld daran trägt. Anderswo hat es ja auch geklappt.“ Mit „anderswo“ ist die sächsische Hauptstadt Dresden gemeint, die nahezu zeitgleich mit dem Scheitern des Frankfurter Werkes den Bau einer weiteren Fabrik des amerikanischen Chipherstellers AMD verkündete.

Sachsen ist nicht nur im Hightech-Bereich erfolgreich. Auch die Automobilbranche boomt: Im Freistaat produzieren unter anderem VW und BMW. Der Leipziger Flughafen wird vergrößert, ohne Auseinandersetzungen, wie sie die Brandenburger und die Berliner seit Jahren um den Ausbau des Großflughafens in Schönefeld führen.

Viele Beobachter geben allein dem ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe die Schuld daran, dass Brandenburg im Gegensatz zu Sachsen so schlecht dasteht, dass in der Mark ein Großprojekt nach dem anderen scheitert: Cargolifter, Lausitzring und Chipfabrik. Verwunderlich ist das nicht: Denn Manfred Stolpe hatte lange das Image eines alles regelnden Landesvaters gepflegt – wie auch sein sächsischer Kollege Kurt Biedenkopf. Aber während Stolpe dabei vor allem auf das Prinzip Hoffnung setzte, scheute sich der ehemalige sächsische Ministerpräsident nicht, auch unliebsame Botschaften zu verkünden. Zum Beispiel zu Beginn seiner Regierungszeit Anfang der 90er Jahre. Da trat er vor die aufgebrachten Trabant-Bauer in Zwickau, die gegen die Schließung ihres Werkes protestierten und sagte: „Ich frage Sie, wer von Ihnen kauft sich heute noch einen Trabant?“ Daraufhin schwiegen die Sachsenring-Mitarbeiter.

Manfred Stolpe, dem heute viele vorwerfen, dass er den Menschen nicht die grausamen Wahrheiten ins Gesicht sagte, wird von Wirtschaftsexperten in Schutz genommen. „Man kann die Ausgangsbedingungen in den beiden Ländern nicht vergleichen“, sagt der Berliner Unternehmensberater Bernd Schnurrenberger. „Zwar haben Brandenburgs Politiker zu stark auf spektakuläre Großprojekte gesetzt, sie hatten aber auch eine viel schlechtere Ausgangssituation als Sachsen.“ Auch der Ostdeutschland-Experte Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (Saale) verweist auf Vorteile, die Sachsen für Investoren interessanter machen als Brandenburg: die größere Bevölkerungsdichte und die traditionellen Industriezweige mit vielen Fachkräften: „Während viele Industriestandorte in Brandenburg zu DDR-Zeiten aus dem Boden gestampft und mit Menschen von überall her besiedelt wurden, existierten sie in Sachsen schon im vergangenen Jahrhundert. Die Sachsen identifizieren sich ganz anders mit ihrer Heimat.“

Also Freispruch für Brandenburgs Politiker? Nein, meinen Wirtschaftsforscher wie Joachim Ragnitz: „Es sind Fehler gemacht worden. Der Schlimmste ist, dass mit jedem Großprojekt utopische Erwartungen geweckt wurden. Aber jedem normalen Menschen war klar, dass der Lausitzring nur wenige Arbeitsplätze bringen würde. Solche Projekte maßlos zu fördern, war falsch. Dieses Geld ging dem Mittelstand verloren.“

Brandenburg, meint Ragnitz, würde am meisten profitieren, wenn Berlin seine Wirtschaftsschwäche überwindet und auf das umliegende Land ausstrahlt. Aber auch dafür gibt es keine Anzeichen.

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