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Brandenburg hat am Sonntag die Wahl.

© dpa

Brandenburg wählt: Dietmar Woidke und die drängenden Reformen

Bislang setzt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke auf Vorsicht. Doch nach der Wahl erwarten den mutmaßlichen Sieger viele schwere Aufgaben. Dazu braucht er einen verlässlichen Koalitionspartner. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Ist da was? Am besten nicht drüber reden. Aber wenn am Sonntag gewählt wird in Brandenburg, wird die AfD höchst präsent sein. Dann wird die CDU wissen, wie attraktiv auch für ihre Wähler die AfD ist. Zumal mit dem Ex-CDU-Mitglied Alexander Gauland, der mit Beiträgen zum modernen Konservatismus auch in der Union Wertschätzung genießt, ein bekanntes Gesicht zur Wahl steht. CDU-Kandidat Michael Schierack, der seine Partei geschickt befriedete, zeitweise auf Augenhöhe mit der SPD hievte und bei Bundestags- und Kommunalwahl sogar gewann, könnte sich verrechnen. Mit betont stillem Wahlkampf persönliche Sympathiewerte einsammeln und gleichzeitig die SPD-Wähler so in Sicherheit wiegen, dass sie am Wahltag zu Hause bleiben, weil alles klar scheint, nützt vielleicht nur der AfD. Auch die Grünen müssen bangen, und die FDP braucht eh kein Schwein.

Ministerpräsident Dietmar Woidke kann dagegen auf gute Werte wie vor fünf Jahren verweisen. Es wird deshalb weitergehen mit der Dauerherrschaft der seit 1990 regierenden SPD. Wie Biedenkopf den christdemokratischen Samen in Sachsen tief verwurzelte, so nachhaltig sozialdemokratisierte Manfred Stolpe die Brandenburger. Alle mitnehmen, keinen zurücklassen, das Versprechen aus Matthias Platzecks Tagen trägt auch Woidke noch. Der hat sich anfänglich schwergetan, sich aber aus dem Schatten seines Vorgängers gelöst. Inzwischen wird er teilweise als klarer und berechenbarer gelobt als der Menschenfänger Platzeck. Woidke macht nicht alles richtig, aber wenig falsch. Um die Landesvater-Rolle auszufüllen, braucht er aber einen Wahlsieg.

Der Takt für Brandenburg kommt aus Berlin

Bislang setzt Woidke auf Vorsicht. Von Verantwortung für den BER hielt er sich fern. Sein – absehbar vergeblicher – Einsatz für geänderte Nachtflugzeiten hat erreicht, dass der Fluglärm-Protest nur ein regionales Thema ist. Er hat das Unsicherheitsgefühl der Brandenburger ernst genommen, die unter der grenzüberschreitenden Kriminalität leiden, und den früher geplanten Kahlschlag bei den Polizeistellen abgemildert. Das hat ein zentrales CDU-Thema entschärft. Im Bildungsbereich ist dies Woidke trotz erheblicher Investitionen und zusätzlicher Lehrerstellen nicht gelungen, weil die zuständige Ministerin mit beständigem Ungeschick und administrativen Mängeln jede positive Signalwirkung zunichtemachte.

Woidke kann sich Rot-Rot II vorstellen, das bis auf anfängliche Turbulenzen über Stasi-Belastungen erstaunlich ruhig regierte. Profitiert hat die Linke davon nicht; sie wurde von der SPD in der Koalition erdrückt und weit entfernt von früherer Stärke. Ein Muster könnte sich wiederholen: Wird die CDU zweitstärkste Kraft, kann es sein, dass die SPD sich für Rot-Schwarz entscheidet, um den Konkurrenten kleinzuhalten. So hat es Platzeck vorgemacht, der 2009 vor der Wahl Rot-Schwarz fortsetzen wollte und dann die zu stark gewordene Linke wählte.

Egal mit welchem Partner regiert wird, nach der Wahl stehen drängende Reformen an. Eine tief greifende Kreisreform und Anpassung der sozialen Infrastruktur ist bei dramatisch schrumpfender Bevölkerung in ländlichen Randgebieten ebenso zwingend wie verstärkte Investitionen in Schulen und Kitas im boomenden Berliner Umland. Überhaupt Berlin: Sich weiter abzuwenden von der Hauptstadt, weil er auf die Tiefe des Landes schaut, das wird Woidke nicht mehr tun können – ob beim Thema BER wie auch bei der lahmenden Kooperation mit Berlin. Denn aus der Mitte des Landes kommt auch der Takt für Brandenburg.

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