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Udo_Bräske

© Sandra Dassler

Braunkohle: Hiobsbotschaft aus Potsdam

Die Bewohner, deren Dörfer dem Kohleabbau weichen sollen, sind wütend. Dass sich Widerstand lohnt, glauben aber die wenigsten.

Von Sandra Dassler

Eigentlich hat Gisela Wehland ganz andere Sorgen. Gerade ist ihr Mann ins Krankenhaus gekommen. Da er die Zeitung mitgenommen hatte, musste sie erst mal das Radio einschalten, als die ersten Journalisten bei ihr nachfragten. Da hat sie dann gehört, dass ihr Dorf Kerkwitz weggebaggert werden soll.

Gisela Wehland ist die Wirtin vom „Dorfkrug“ in Kerkwitz, einem Ort südlich von Guben. Rund 600 Menschen leben hier und viele haben erst in den vergangenen 18 Jahren ihre Häuser gebaut. Vor 1989 durfte niemand bauen, Kerkwitz war schon damals zur Abbaggerung vorgesehen. Warum dann plötzlich Baugenehmigungen erteilt wurden, weiß eigentlich keiner der Kerkwitzer so richtig.

Die Bewohner sind wenig überrascht

„Nach der Wende haben wahrscheinlich alle gedacht, dass nun Schluss ist mit der Abbaggerung von Dörfern in der Lausitz“, sagt Renate Unger. Die 59-Jährige hat 1993 ihr Haus gebaut, wohnt dort mit ihrem Mann, ihrem Sohn, der Schwiegertochter und zwei Enkeln. Dass das Haus nun unter die Erde kommen soll, kann sie sich noch gar nicht vorstellen. „Ich bin zwar nicht völlig überrascht, weil es schon vor einigen Monaten hieß, dass die Braunkohletagebaue weitergeführt werden sollen“, sagt sie. „Aber dass es uns jetzt so schnell trifft, dass wir vielleicht schon in den nächsten zehn Jahren umsiedeln müssen, das muss ich erst mal verdauen“.

Auch die Dorfkrug-Wirtin Gisela Wehland hat mit der Hiobsbotschaft aus Potsdam gerechnet. Auch sie hat aber angenommen, dass es sie selbst nicht mehr betreffen würde. „Ich bin jetzt 70 und zu alt, um zu kämpfen. Das müssen jetzt die Jüngeren tun.“

Zu den Jüngeren gehört Thomas Pehle. Der 31-Jährige backt jeden Morgen zwischen 300 und 500 Brötchen. Seine Mutter verkauft sie im Laden, sein Vater beliefert die umliegenden Dörfer. Mehr als 100 Jahre lang gibt es die Bäckerei Pehle in Kerkwitz, und dass sie jetzt der Kohle weichen soll, macht Thomas Pehle wütend: „Die baggern uns weg, als ob es im 21. Jahrhundert nicht andere Möglichkeiten der Energieerzeugung gäbe“, sagt er. Manche Kunden hätten an diesem Morgen auf die Regierung geschimpft, auf die Politiker. Und viele hätten gesagt, dass man kämpfen müsse. „Aber wir haben doch beim jahrzehntelangen Kampf unseres Nachbardorfes Horno gesehen, dass das aussichtslos ist“, sagt Thomas Pehle.

Keine Hoffnung auf erfolgreichen Widerstand

Am ehemaligen Gemeindehaus von Kerkwitz hängt ein einsamer Aushang im Schaukasten. Die Grüne Liga Cottbus lädt zu einer Informationsveranstaltung gegen die Kohle ein. Sie findet in der Kirche in Atterwasch, wenige Kilometer von Kerkwitz entfernt, statt. Die Kirche und das Pfarrhaus sind von gepflegten Grünanlagen und einem Blumenmeer umgeben. Ein paar Häuser weiter werkelt der Tischlermeister Udo Bräske in seiner Werkstatt. Vor fünf Jahren hat er sie eingerichtet, und sie läuft ganz gut. „Ich glaube nicht, dass es viel Sinn hat, zu kämpfen“, sagt er. „Aber eigentlich müsste man das tun. Wie die Leute, die sich gerade gegen die Abbaggerung der Lakomaer Teiche für den Tagebau Cottbus-Nord zur Wehr setzen und sich dort an die Bäume ketten.“

Im Radio hat der Tischler gerade den Bürgermeister von Spremberg gehört. Der war erleichtert, dass der Tagebau um seine Stadt herum weitergeführt wird. Das bedeute Sicherheit für das Kraftwerk Schwarze Pumpe und die vielen Arbeitsplätze dort, sagte er. Die Menschen in Kerkwitz und Atterwasch wollen vom Arbeitsplatz-Argument nichts hören: „Das haben die schon bei Horno ins Feld geführt“, sagt Bäcker Pehle. „Doch wenn es die Kohle nicht gäbe, würden hier ganz schnell auch andere Arbeitsplätze entstehen, da bin ich sicher.“

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