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Brandenburg: Bruchlandung im Pilotverfahren

POTSDAM . Der frühere brandenburgische Gesundheitsstaatssekretär Detlef Affeld und die beiden anderen Beamten des Hildebrandt-Ministeriums sind vom Vorwurf der gemeinschaftlichen Untreue freigesprochen worden.

POTSDAM . Der frühere brandenburgische Gesundheitsstaatssekretär Detlef Affeld und die beiden anderen Beamten des Hildebrandt-Ministeriums sind vom Vorwurf der gemeinschaftlichen Untreue freigesprochen worden. Das Potsdamer Landgericht bescheinigte in seinem Urteil den Angeklagten, daß sie bei der teilweise "pflichtwidrigen" Förderpraxis für sogenannte Betreuungsdienste für Chronisch Kranke (BCK) und das Gesundheitshaus Ringenwalde dem Land "in keinem Fall" vorsätzlich schaden wollten. Allerdings ist durch ihr Handeln nach Auffassung des Gerichtes dem Land ein Schaden von rund 10 Millionen Mark entstanden.Die Verteidigung forderte nach dem "Freispruch der Extraklasse" personelle Konsequenzen bei der Staatsanwaltschaft Potsdam und dem Landesrechnungshof, auf dessen Empfehlung die Ermittlungen eingeleitet worden waren. Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) verlangte die sofortige Einstellung der Ermittlungsverfahren, die gegen rund 40 Mitarbeiter ihres Ministeriums noch laufen. Die Staatsanwaltschaft prüft nach Angaben von Oberstaatsanwalt Volker Ost, ob sie gegen das Urteil in Revision gehen wird. Die reinen Prozeßkosten, die etwa bei einer halben Million Mark liegen, muß die Staatskasse tragen.Die Staatsanwaltschaft hatte für Affeld eine einjährige Bewährungsstrafe, für den Gesundheits-Referatsleiter Carl-Christian von Braunmühl 16 Monate und für dessen Abteilungsleiterin Sigrun Steppuhn 6 Monate Haft auf Bewährung gefordert. Die Staatsanwaltschaft habe in dem "Pilotverfahren" eine Bruchlandung erlitten, sagte Affeld-Verteidiger Gerald Jungfer.Affeld verließ das Gericht ohne Kommentar. In einer Erklärung warfen die Anwälte der Staatsanwaltschaft vor, selektiv und voreingenommen ermittelt und "jegliches Augenmaß" verloren zu haben. Das Verfahren habe insgesamt fünf Millionen Mark gekostet, sagte Anwalt Christoph Kliesing. Dagegen erklärte Oberstaatsanwalt Volker Ost, von einer "Niederlage" könne keine Rede sein. Der objektive Untreuetatbestand, nämlich ein realer Vermögensschaden für das Land, sei zum Großteil erfüllt.In seiner Urteilsbegründung erklärte Jürgen Kunze, Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes, daß keiner der Angeklagten dem Land vorsätzlich schaden wollte. Von ihrem ursprünglichen Anklage-Vorwurf, daß sich Affeld und die anderen Beamten zur Umgehung des Haushaltsrechtes "verabredet" hätten, habe die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer selbst Abstand genommen.Das Gericht folgte auch dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft (und zuvor des Landesrechnungshofes) nicht, daß allein schon das Anlegen von Treugut-Konten für Fördermittel bei einem privaten Dienstleister gegen das Haushaltsrecht verstoße. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft waren nicht termingerecht ausgegebene Fördergelder in Millionenhöhe auf "schwarzen Kassen" geparkt worden, um sie ins nächste Haushaltsjahr zu retten. Allerdings sah es das Gericht als erwiesen an, daß bei der BCK-Förderung im Jahr 1993 dem Land ein Vermögensschaden von rund 6,3 Millionen Mark und bei der Förderung des Gesundheitshauses Ringenwalde von 3,5 Millionen Mark entstanden ist. Als Ende November 1994 für das Modellprojekt in Ringenwalde 3,5 Millionen Mark bewilligt wurden, sei klargewesen, daß entgegen dem Förderbescheid das Gesundheitshaus niemals bis Februar 1995 fertigestellt werden konnte. Und die BCK-Mittel im Jahr 1993 in Höhe von 6,3 Millionen Mark seien bewilligt worden, obwohl "objektiv" kein Bedarf mehr dafür bestand. Außer im Haushaltsreferat, bei dem sich die Angeklagten regelmäßig beraten hätten, habe es in den Fachreferaten des Hildebrandt-Ministeriums "kein Bewußtsein" für das Haushaltsrecht gegeben, sagte Kunze. "Das mag man als fahrlässig bezeichnen. Es gab aber keinen Vorsatz zur Untreue" In seinem Schlußwort wies Kunze ausdrücklich daraufhin, daß das Gericht allein die strafrechtliche Relevanz dieser Vorgänge zu beurteilen hatte. "Wir haben nicht über den fahrlässigen Umgang mit Steuermitteln zu befinden und sind kein verlängerter Arm des Landesrechnungshofes, kein Untersuchungsausschuß des Landtages." Entgegen der Auffassung der Verteidigung sei die Hauptverhandlung notwendig gewesen. Kunze betonte ausdrücklich, daß es keinerlei politische Einflußnahme auf das Gericht gegeben hat.In ihrer Erklärung räumte Sozialministerin Regine Hildebrandt "haushaltsrechtliche Fehler" ein, die ihre Ursache jedoch eher in "außergewöhnlich großem Idealismus" gehabt hätten. Politische Verantwortung für solche Fehler könne aber auch darin bestehen, "mit aller Kraft an der Beseitigung der Fehlerquellen" zu arbeiten, was getan worden sei. Dagegen nannte CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek das Urteil "schwer nachzuvollziehen", da die Budgethoheit des Parlamentes abgewertet werde.

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