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CDU-Generalsekretär: Mehr Engagement hätte die Regierungsbeteiligung gekostet

Dieter Dombrowski ist Generalsekretär der CDU Brandenburg. In der Vergangenheitsdebatte um Stasi und SED-Diktatur schlägt er nun selbstkritische Töne an. Ein Debattenbeitrag.

Bei der Vergangenheitsbewältigung darf es nicht nur um die Vergangenheit der anderen, sondern es muss auch um die eigene Vergangenheit gehen. In 40 Jahren DDR sind über 250 000 Mitbürger völlig zu Unrecht aus politischen Gründen zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Es sind Menschen zu Tode gekommen und der Staat hat sich maßregelnd in die Lebensperspektiven der Menschen eingemischt. Am Ende der DDR hatte sich die SED bei 17 Millionen Einwohnern einen Geheimdienstapparat mit 270 000 hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern geschaffen. So wollten die Menschen nicht mehr weitermachen.

CDU Brandenburg ist nicht nur die Zeit der Blockpartei in der Nationalen Front. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gründeten sich in allen Bundesländern CDU-Landesverbände. Die CDU entstand aus dem christlichen und bürgerlichen Widerstand gegen das Nazi-Regime. Zu den Mitbegründern gehört zum Beispiel Andreas Hermes, der als einer der Mitbeschwörer des Anschlages auf Hitler 1944 zum Tode verurteilt wurde und nur durch das Kriegsende der Vollziehung der Todesstrafe entkam. Auch in Brandenburg gründete sich ein CDU-Landesverband, dessen 1. Vorsitzender Wilhelm Wolf am 14. Mai 1948 aufgrund einer Scheinwerfer-Blendattacke auf der Avus tödlich verunglückte. Der Potsdamer CDU-Bürgermeister und Kreisvorsitzende Erwin Köhler wurde am 28. März 1950, nachdem er von SED-Genossen denunziert wurde, den Sowjets übergeben und 1951 hingerichtet. Der damaligen „Säuberungswelle“ in der Potsdamer und Brandenburger CDU fielen auch Köhlers Ehefrau Charlotte und der Vorsitzende der CDU Potsdam-Stadtmitte, Ludwig Baues, zum Opfer. Nachdem die Landtagswahlen in Brandenburg im Oktober 1946 keine Mehrheit für die SED ergaben, wurde mithilfe der Sowjets der Parteivorstand kurzerhand abgesetzt und bis zum Jahr 1952 erfolgte in Brandenburg die Gleichschaltung der CDU. Die CDU Brandenburg im Rückblick nur als „willfährige Blockpartei“ zu beschreiben, geht an den historisch belegten Fakten vorbei. Die CDU war natürlich nicht der Anstoßgeber für den massenhaften Protest der Bürger gegen die Fälschung der Kommunalwahlen 1989 durch die SED, aber sie war mit dabei, als andere noch zögerten.

Im Oktober 1990 wurde Lothar de Maizière zum Vorsitzenden der CDU Brandenburg gewählt und ich zum Landesschatzmeister. Gemeinsam haben wir vor einem Notar in Berlin für die CDU Brandenburg den Verzicht auf alles bekannte und unbekannte Vermögen der CDU erklärt. Die SED/PDS hat vehement um „ihr Vermögen“ gestritten und war auch erfolgreich.

Der einzige Grund, warum sich die SED nicht aufgelöst hat, war ausschließlich ein finanzieller, denn bei Auflösung der SED hätte man auf alles Vermögen verzichtet und darum musste eine bzw. mehrere Namensänderungen ausreichen, um das Vermögen zu erhalten und die Spuren des begangenen Unrechts zu verwischen.

Lothar de Maizière hat am 6. September 1991 unter anderem wegen der IM-Vorwürfe gegen ihn sein Amt niedergelegt. Bei den Vorstandswahlen im November 1991 traten Angela Merkel und der ehemalige Berliner Senator Ulf Fink in einer Kampfkandidatur an.

Ulf Fink konnte sich durchsetzen und wer weiß, ob dies eine höhere Fügung war. Nur Gott im Himmel weiß, ob Angela Merkel heute Bundeskanzlerin wäre, wenn sie den Vorsitz der Brandenburger CDU übernommen hätte.

In den ersten Brandenburger Landtag wurden SPD, CDU, FPD, Bündnis 90 und PDS gewählt. Ein gründlicher Check der Landtagskandidaten war aufgrund mangelnder Organisationsstrukturen wohl in keiner der fünf Parteien erfolgt. So musste es nicht verwundern, dass bei der Überprüfung des ersten Brandenburger Landtages auf Zusammenarbeit mit dem MfS auch alle Fraktionen betroffen waren. In der CDU-Fraktion waren zwei Abgeordnete, Johannes Winter und Klaus Häßler, unter Verdacht. Da die Überprüfung durch die sogenannte „Bischofskommission“ keine harten Fakten ergab, blieb der Verdacht aber kein Beweis. Johannes Winter schied mit Ablauf der ersten Wahlperiode aus, und Klaus Häßler wurde auch in den zweiten Brandenburger Landtag gewählt. Nachdem die Stasi-Tätigkeit von Klaus Häßler aktenkundig war, wurde er 1996 aus der Fraktion und unverzüglich danach aus der Partei ausgeschlossen.

Die 1991 unter dem Eindruck der Ereignisse beschlossene Satzung der CDU Brandenburg legt die Denunziation und Mitwirkung an der Verfolgung von Gegnern totalitärer Systeme als unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der CDU Brandenburg fest. Dies ist meines Wissens ein Novum in einer Parteisatzung.

Für die Landespartei ist dieser Vorwurf unzutreffend. Der CDU-Landesvorsitzende Ulf Fink ging anders als der Fraktionsvorsitzende Peter-Michael Diestel unverzüglich auf Distanz zum unter Stasi-Verdacht stehenden Ministerpräsidenten Manfred Stolpe. Fink forderte Stolpe zum „Amtsverzicht“ auf.

Aus der Landtagswahl 1994 ging die SPD mit einer absoluten Mehrheit hervor. Die SPD nutzte ihre Mehrheit, die Regelanfrage auf eine Tätigkeit für die Stasi abzuschaffen. Die CDU, insbesondere der Abgeordnete Dierk Homeyer, forderte in der Drucksache 2/1359 die Beibehaltung der Regelanfrage und verlangten, wie in den anderen neuen Ländern, die Einsetzung eines Stasi-Unterlagenbeauftragten. SPD und PDS lehnten diesen Antrag einmütig ab. Auch in den Medien fand die CDU für ihren Standpunkt wenig Verständnis. So beschrieb eine in der Region erscheinende Tageszeitung in ihrer Ausgabe vom 23. Januar 1995 das Ansinnen der SPD auf Abschaffung der Regelanfrage als „Vorreiterrolle“.

Mit Jörg Schönbohm trat die CDU 1999 in eine Regierungskoalition mit der SPD ein. Richtig ist, dass sich die CDU in den folgenden zehn Jahren in die Regierungsdisziplin hat einbinden lassen. Für die Sacharbeit war und ist dies auch unverzichtbar. In Sachen Vergangenheitsbewältigung war die CDU vielleicht zu leise, aber keinesfalls untätig.

2001 gab es einen heftigen Streit in der Koalition, ob die Abgeordnete Kerstin Kaiser (IM „Katrin“), Die Linke, in die parlamentarische Kontrollkommission PKK zur Kontrolle der Geheimdienste gewählt werden soll. MP Stolpe hat seinem Stellvertreter Jörg Schönbohm auf seine joviale Art klar gemacht, dass ein weiteres Rumbohren zum Thema Stasi nichts bringt. 2004, nachdem die sogenannten „Rosenholz-Dateien“ zur Verfügung standen, unternahm die CDU den erneuten Versuch, anhand dieser neuen Daten leitende Landesbedienstete überprüfen zu lassen. Schönbohm: „Es müsse eine restlose Aufklärung geben.“ Platzeck, zu dieser Zeit schon Ministerpräsident, äußerte: „Die Kirche müsse im Dorf bleiben“. Anlässlich einer Gedenkrede zum 61. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen würdigte der Innenminister nicht nur die Opfer der Nationalsozialisten, sondern auch die Opfer des sowjetischen Straflagers nach 1945. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Baaske verlangte daraufhin öffentlich von Schönbohm, sich im Koalitionsausschuss zu seinem Geschichtsbild zu erklären und stellte die Koalition in Frage.

In Verantwortung der Wissenschaftsministerin Johanna Wanka wurden erstmals bei der Gedenkstättenarbeit auch die Opfer der SED und der Sowjets bedacht. Die CDU hätte sicherlich eine konsequentere Aufarbeitung des SED-Unrechts einfordern können, aber nur, und das muss ganz deutlich gesagt werden, mit der Konsequenz des Ausscheidens aus der Regierung. Was hätten dann SPD und PDS/Linke gesagt und Journalisten geschrieben? Vermutlich: Der CDU ist die Vergangenheit wichtiger als die Gegenwart und die Zukunft der Menschen im Land!

Die CDU hat ihre Forderung nach Berufung eines Stasi-Unterlagenbeauftragten nie aufgegeben. Ich bin Zeuge für das zähe Ringen der CDU um die Einsetzung eines Beauftragten, der in der Juli-Sitzung 2009 gegen die Stimmen der Linkspartei auch im Landtag beschlossen wurde.

Beim Streit um den richtigen Beauftragten kamen wir in der Koalitionsregierung von SPD und CDU nicht mehr zum Ergebnis, da wir, die CDU, einen Beauftragten mit Bürgerrechtshintergrund haben wollten und die SPD, und hier konkret Ministerpräsident Platzeck, einen Diplomaten.

Die vom Landtag Brandenburg auf Antrag der Oppositionsparteien eingesetzte Enquete-Kommission ist kein Instrument zur Abrechnung. Aufgabe ist es, sachlich und fair zu bewerten und Empfehlungen für die Zukunft zu geben.

Als Generalsekretär der CDU Brandenburg stehe ich wie derzeit über 6700 andere CDU-Mitglieder in unserem Landesverband zur Geschichte der CDU, und wir stehen in gemeinsamer Verantwortung für unser Land. Dazu gehören auch schmerzhafte Prozesse, wie die Diskussion um unseren ehemaligen Vorsitzenden Ulrich Junghanns, der als letzter Vorsitzender der Bauernpartei der DDR in einem Pressebeitrag im Sommer 1989 die Notwendigkeit der „Mauer“ begründet hatte.

Auch diese Frage hat die Basis der CDU Brandenburg bewertet und nach dem vorzeitigen Ausscheiden von Ulrich Junghanns aus dem Amt des Landesvorsitzenden mit Johanna Wanka eine Vorsitzende aus der Bürgerrechtsbewegung gewählt.

Der Erneuerungsprozess schreitet unter Führung unserer Vorsitzenden Saskia Ludwig weiter voran. Die Hälfte der jetzigen Abgeordneten der CDU gehört zum ersten Mal dem Brandenburger Landtag an, und von den 19 Abgeordneten sind 18 erst nach dem Fall der Mauer Mitglied der CDU geworden.

Die CDU Brandenburg wird sich Zeitgeistströmungen nicht anpassen, sondern sich in politischen Sachfragen und in Grundsatzfragen immer klar bekennen. Wer nicht selbst mit sich klar ist, kann anderen nichts erklären.

Der Autor ist Generalsekretär der CDU Brandenburg und stellvertretender Vorsitzender der CDU–Landtagsfraktion. Außerdem ist er stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“

Quelle: PNN.de

Dieter Dombrowski

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