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CDU-Landesparteitag: Saskia Ludwig will sich wiederwählen lassen

In Brandenburgs Union geht es bei der Führungswahl um mehr als einen Stellvertreterkrieg. Es geht um die Grundausrichtung, wie man in dem Bundesland die CDU wieder aus dem Tal holen kann. Eine Analyse.

Es war erstaunlich lange ruhig in der brandenburgischen CDU. Über den einstigen dramatischen Machtkampf um das Erbe von Jörg Schönbohm schien Gras gewachsen. Mit straffen Zügeln hielt Doppel-Chefin Saskia Ludwig seit fast zwei Jahren Partei und Landtagsfraktion eisern zusammen, lief Sturm gegen Rot-Rot. Aber ausgerechnet jetzt, wo Ludwig heute auf dem Landesparteitag in Potsdam wiedergewählt werden will, ist es mit der Ruhe vorbei. Was ist da plötzlich los?

Vordergründig geht es nur um einen Stellvertreterposten, von denen man meist nicht einmal die Namen kennt, um eine in Parteien übliche Kampfkandidatur: Nachdem Ludwig den jungen Ostprignitzer CDU-Kreischef Jan Redmann nominierte, warf gegen ihren Willen noch ein kommunales „Schwergewicht“ den Hut in den Ring: Dietlind Tiemann, gerade mit sensationellem Ergebnis als CDU-Oberbürgermeisterin im wie das Land strukturell „roten“ Brandenburg an der Havel wiedergewählt, dem Wahlkreis von Frank-Walter Steinmeier und Ralf Holzschuher, Chef der Landtagsfraktion, seit Ewigkeiten der größte Sieg der Union in der märkischen Diaspora.

In jeder anderen Partei würde man eine wie Tiemann auf Händen tragen, die die von SPD heruntergewirtschaftete drittgrößte Stadt seit 2003 nach oben riss sowie eine Bundesgartenschau gegen den Widerstand der Platzeck-Regierung in die Havelregion holte. Man hätte von vornherein versucht, sie in die engere Landesführung einzubinden oder wenigstens den Konflikt durch kluges Krisenmanagement zu bereinigen, vielleicht einen zusätzlichen Vize-Posten geschaffen, egal wie. Das alles aber geschah nicht, bisher. Nun droht die brandenburgische CDU als Verlierer dazustehen, weil bei einem Showdown entweder die Vorsitzende Ludwig selbst oder die erfolgreichste CDU-Kommunalpolitikerin beschädigt wird.

Warum wendete Ludwig, die als Parteivorsitzende auch für Ausgleich zu sorgen hätte, den Showdown, diese Eskalation nicht rechtzeitig ab? Warum will sie Tiemann, die beim Wahlvolk ankommt, als Vize verhindern? Warum nimmt sie deren Demontage in Kauf, lässt zu, dass Tiemann von ihrem Generalsekretär Dieter Dombrowski in offiziellen Briefen als CDU-Kreischef an Delegierte madig gemacht wird? Das muss tiefere Gründe haben. Und die hat es auch.

Klar, da ist die Sorge vor dem Glashaus–Effekt. Tiemann war bis 1989 SED-Mitglied, ehe sie nach elfjähriger Quarantäne 2001 in die Partei mit dem „C“ eintrat, was sich für die CDU als Glücksfall erwies. Aber es stünde natürlich im Kontrast zum von Ludwig provokativ-polemisch überzeichneten Brandenburg-Bild, nach dem das vorher zehn Jahre von der Union mitregierte Land plötzlich überall im „SED/Stasi-Sumpf“ versinkt. Vielleicht ist das Problem ja das überzeichnete Bild.

Es ist mehr als ein Stellvertreterkrieg. Es geht um die Grundausrichtung, wie man hierzulande die CDU aus dem Tal holen kann - und in welchem Zeitraum. Da ist Ludwigs Versuch einer radikalen, zugespitzt polarisierenden Opposition, wie es sie in Brandenburg nie gab. Sie lotet aus, experimentiert, positioniert die CDU neu, ob in der Agrarpolitik, nach den Lärmprotesten mit Distanz zum neuen Flughafen Schönefeld, dem Nein zu neuen Windparks, alles ohne sonderliche Rücksicht auf die eigenen Regierungsjahre unter Schönbohm. Man nimmt regionale Unzufriedenheiten auf, aber es sind, zumindest heute, oft Minderheitenpositionen. Der Preis, das Risiko? Niemand weiß, ob und wann die Rechnung aufgeht. In den Umfragen stagniert die Union bislang weiter. So wächst in Teilen der Partei die Sorge, dass Ludwig die CDU in die Isolation führt. Zur SPD von Matthias Platzeck ist das Tischtuch nach teilweise persönlichen Angriffen ohnehin zerschnitten, selbst zu früheren Kritikern von Rot-Rot dort, ein Stil, den nebenan in Berlin Frank Henkel gegenüber Klaus Wowereit nie pflegte, was dort jetzt die Große Koalition erleichtert. Selbst das früher gute Verhältnis zu FDP und Grünen ist inzwischen belastet. Und das zu Medien, die von Ludwig mit presserechtlichen Unterlassungen überzogen werden, neuerdings gestört.

Kein Wunder, dass dies alles in der Partei manche verstört, Ludwigs Graswurzel-Konsolidierung, um vielleicht nach 2019 mitzuregieren, einigen zu lange dauert. Mit Tiemann gibt es erstmals einen Gegenentwurf und ein Gesicht: Sie wirbt für Fair Play nach Außen und Innen, sie will nach der Stadt die CDU auch im Land als erfolgreiche, realpolitisch-bodenständige Volkspartei der Mitte positionieren, dabei an märkische Mentalitäten anknüpfen, etwa an die verwurzelte Abneigung gegen Parteiengezänk. Sie setzt auf Bündnisfähigkeit zur SPD, um nicht erst 2019, sondern vielleicht doch schon 2014 wieder Rot-Schwarz zu ermöglichen. Merkwürdigerweise findet eine Richtungsdebatte darüber nicht statt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Tiemann? Fehlanzeige, dafür Denunziationen, Giftpfeile, Doppelmoral.

Es gibt eine Parallele, im fernen Bayern. Dort laboriert die SPD im Dauer-Tief wie hier die Union. Nachdem man dort schon vieles vergeblich versuchte, setzt man auf ein anderes Modell: Der erfolgreichste SPD-Kommunalpolitiker, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, fordert CSU-Regent Horst Seehofer heraus - und ist der bisher gefährlichste Gegner für die CSU. Vielleicht erklärt sich das, was sich in der brandenburgischen CDU abspielt, vor, auf und nach dem Potsdamer Parteitag, egal wie der ausgeht, ganz einfach: Tiemann könnte für Ludwig eine Konkurrentin werden - für die CDU-Spitzenkandidatur zur nächsten Landtagswahl 2014. Doch steckt Brandenburgs Union in einem Dilemma. Die Partei will nach dem Trauma der Grabenkämpfe weiter Harmonie. Sie ist loyal zu einer Vorsitzenden, selbst wenn diese die Loyalität auf das Äußerste strapaziert. Aber die Union hungert auch nach Siegen und Siegern. Wohin führt das Brandenburgs CDU?

Quelle: PNN

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