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Brandenburg: Chaos bei der Auszählung: Wahlleiter fürchtet Anfechtungen

POTSDAM .Landeswahlleiter Arend Steenken hat schwere Pannen bei den Bundestags- und Kommunalwahlen am Sonntag in Brandenburg eingeräumt.

POTSDAM .Landeswahlleiter Arend Steenken hat schwere Pannen bei den Bundestags- und Kommunalwahlen am Sonntag in Brandenburg eingeräumt.Nach seinen Angaben ist es zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Auszählung der Stimmzettel für den Bundestag gekommen.Brandenburg sei das Schlußlicht unter allen Bundesländern gewesen.In den Wahlkreisen 273 und 275 mußten Steenken zufolge die nicht vollständig vorliegenden Endergebnisse gegen Null Uhr hochgeschätzt werden, um ein vorläufiges Ergebnis auf Bundesebene zu ermöglichen.Davon ist die Sitzverteilung im Bundestag abhängig.Steenken rechnet mit mehr Wahlanfechtungen als üblich.

Schon bei der Kommunalwahl 1993 hatte es im Land massive Probleme bei der Auszählung sowie einen Daten-Skandal gegeben.Der damalige Landeswahlleiter mußte deshalb seinen Hut nehmen.Ein Rücktritt von Steenken schien gestern nicht ausgeschlossen.Er konnte keine plausible Erklärung für die Zeitverzögerungen - das erste vorläufige Ergebnis für einen Wahlkreis lag gegen 23 Uhr 30 vor, das letzte ging Montag früh um 4 Uhr 23 ein - geben.Die Zusammenlegung beider Wahltermine habe zu den Verzögerungen beigetragen, so Steenken.Die Wähler in Brandenburg konnten auf maximal vier Stimmzetteln bis zu neun Stimmen abgeben.Allein diese zeitaufwendige Prozedur, die nach Augenzeugenberichten viele Wähler überforderte, hat in den Wahllokalen zu langen Schlangen geführt.Nicht wenige Wahlberechtigte verließen die Wahllokale unverrichteter Dinge.Auch um 18 Uhr herrschte noch erheblicher Andrang.Teilweise wurden die Wartenden noch bis weit nach 18 Uhr hereingelassen.Steenken sagte dazu, diese Verfahrensweise sei nach dem Bundeswahlgesetz möglich, "wenn sich die Wähler bis 18 Uhr angestellt haben".Nach anderen Berichten wurden Wähler aber auch nach Hause geschickt, obwohl sie sich rechtzeitig angestellt hatten.Es sei nicht auszuschließen, so Steenken, daß Wähler ihr Wahlrecht hätten nicht wahrnehmen können.

Ein Mitglied des Landeswahlausschusses gab die Schuld am Desaster den Wahlkreisleitern: "Das Personal war zu wenig geschult und überfordert." Hingegen meinte ein Wahlkreisleiter: "Für die Schulung ist der Landeswahlleiter verantwortlich." Steenken meinte im Rückblick: "Es wäre gut gewesen, wenn wir mehr Wahlhelfer und Wahlkabinen gehabt hätten.Man hätte auch improvisieren können." Die Entscheidung, Kommunal- und Bundestagswahl zu verbinden, hat das Innenministerium im Konsens mit den Parteien getroffen.Amtsleiter und Bürgermeister hatten sich mehrheitlich ebenfalls dafür ausgesprochen.SPD und CDU versprachen sich davon wahltaktische Vorteile: Die höhere Wahlbeteiligung und die "hervorgehobene Rolle" der Bundestagsparteien würden zu Stimmengewinnen bei den Kommunalwahlen führen.Für die Sozialdemokraten ist diese Rechnung offenbar auch aufgegangen.Bundesweit ist die Zusammenlegung umstritten: Weil sie ihre Chancen - unter anderem durch die TV-Wahlspots der großen Parteien - geschmälert sahen, zogen freie Wählergruppen bereits vor Gericht.

MICHAEL MARA

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