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Brandenburg: Christlicher Ex-General trifft kommunistischen Pfarrerssohn

CDU-Innenminister Jörg Schönbohm diskutiert mit PDS-Mann Heinz Vietze über preußische Tugenden und linke Werte

Perleberg - Jörg Schönbohm hätte es sich wohl nie träumen lassen, dass er einmal auf einer Veranstaltung der Linken auftreten würde. Schon gar nicht, dass er, der CDU-Innenminister mit dem gepflegten Image eines „konservativen Hardliners“ und zurzeit auch noch Vorsitzender der Innenministerkonferenz, mit einem Kommunisten einen so spannenden, lehrreichen Abend verbringen könnte. Das Ganze ist aber passiert, vor ein paar Tagen, in Perleberg, in der Prignitz.

Da saß Schönbohm, Jahrgang 1937, mit Heinz Vietze, Jahrgang 1947, dem letzten SED-Bezirkschef von Potsdam, und seit 1990 schillerndster wie einflussreichster Kopf der Brandenburger PDS, vor 120 Gästen in der Aula des Gottfried–Arnold-Gymnasiums, um über „Preußische Tugenden und linke Werte“ zu diskutieren. Es war eine durchaus symbolträchtige Premiere in Brandenburg, wo die Union, die Schönbohm von 1999 bis 2007 führte, im Parlament bislang sogar gemeinsame Anträge mit den Linken ausgeschlossen hat. Bewegt sich da was, wenn selbst bei Schönbohm die Berührungsängste schwinden?

Der Konservative und der Kommunist, die miteinander parlierten, könnten kaum gegensätzlicher sein. Hier der in Brandenburg geborene frühere Bundeswehrgeneral, der 1994 in die CDU eintrat, „weil die PDS in Potsdam so stark wurde“. Da der Pfarrerssohn, der nicht zur Erweiterten Oberschule durfte, dann aber in der DDR trotzdem in der SED eine steile Karriere machte, der letzte Bezirkschef in Potsdam war, als „graue Eminenz“ der PDS gilt und heute Chef der bundesweiten Rosa-Luxemburg–Stiftung ist.

Klar, dass niemand den anderen katholisch machen würde. Vielleicht konnte es gerade deshalb zu einer deutsch-deutschen Geschichtsstunde werden – mit bemerkenswerten Annäherungen. Eine Szene ließ Schönbohm noch Tage danach nicht los. Vietze hatte, wohl erstmals überhaupt, bislang unbekannte Einblicke in das Innenleben der DDR-Führung aus dem Oktober 1989 gegeben, kurz vor dem Systemkollaps. Er erzählte, wie der Potsdamer SED-Bezirkschef Günter Jahn im Politbüro als Erster den Rücktritt von Erich Honecker gefordert hatte - „und ganz allein blieb.“ Wie Jahn auf der Rückfahrt nach Potsdam mit Vietze telefonierte, den Polizeichef um eine Pistole bat: „Gebt mir fünf Minuten, wenn sie kommen, sagte er . Und ging fest davon aus, dass er abgeholt wird. Das war die Realität. Es war ein enormer Druck zur Unterordnung“, so Vietze. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er damals „als Parteisoldat“ Mitverantwortung für die Verhältnisse hatte, die das Volk zu Recht abwählte.

Es waren diese Momente, die Schönbohm nachdenklich machten. Es nötige ihm Respekt ab, sagte er später, wie „menschlich überzeugend“ sich Vietze mit der DDR, mit seiner persönlichen Rolle auseinandergesetzt habe. „Wenn wir so Diskussionen führen, können wir vieles erreichen“. Dies sei umso wichtiger, weil junge Leute in Brandenburg wenig über die DDR, auch über den Nationalsozialismus wissen. „Das ist eine parteiübergreifende Aufgabe“. Genauso, auch da waren sich beide einig, wie die Bekämpfung des Rechtsextremismus.

Vietze wiederum konzidierte Schönbohm, dass er „zuverlässiger und berechenbarer“ sei als die SPD im Land. Er überreichte dem Gast zum Abschied ein sorgfältig ausgesuchtes Geschenk: einen Wein „Karl Marx“, von einem Gut bei Trier, das Marx-Nachfahren betreiben. Es wurde, so bedankte sich Schönbohm feinsinnig, „zum Glück nicht zwangskollektiviert.“ Thorsten Metzner

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