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Brandenburg: Cottbus: Niemand will die Festung stürmen

Die vielleicht 30 Anhänger der Punk-Szene in Cottbus haben endlich den Durchbruch geschafft: Fernsehteams, Radioreporter und Zeitungskollegen reißen sich um jeden bunten Haarschopf, der sich nur blicken lässt. Immer wieder wird die gleiche Frage gestellt: Wann beginnen denn nun die Chaos-Tage?

Die vielleicht 30 Anhänger der Punk-Szene in Cottbus haben endlich den Durchbruch geschafft: Fernsehteams, Radioreporter und Zeitungskollegen reißen sich um jeden bunten Haarschopf, der sich nur blicken lässt. Immer wieder wird die gleiche Frage gestellt: Wann beginnen denn nun die Chaos-Tage? Doch die jungen Leute zucken mit den Schultern. Ihnen sei nichts bekannt. Nur diese "wahnwitzige Polizeipräsenz" rege sie mächtig auf. Sie dürften nicht einmal das Stadtzentrum betreten, meint ein Mann mit Irokesenschnitt. "Ich wohne hier und darf nicht in die City. Wo leben wir denn?"

Die Polizei setzt auf diese rigorose Weise das von ihr ausgesprochene Versammlungsverbot durch. Wer sich weigert, erhält Platzverweis und wird in Gewahrsam genommen. Das betraf bis gestern 26 Personen - also fast die komplette Cottbuser Szene. Von außerhalb kam kaum jemand durch. Schätzungsweise 2000 Polizisten sichern die 130 000-Einwohner-Stadt seit Freitag wie eine Festung. Bei Kontrollen auf den Zufahrtsstraßen und auf dem Bahnhof schlüpft "keine Frau und kein Mann in szenetypischer Kleidung und szenetypischem Haarschnitt" durch, wie ein Polizeisprecher sagte. Dazu kommen Beobachtungen aus Hubschraubern sowie Patrouillen auf dem Altmarkt und in der Spremberger Straße, der Haupteinkaufsmeile. Doch offensichtlich will niemand diese Festung stürmen.

Die Punker machen sich indessen auf ihrer Internet-Seite www.chaos-tage.de ihren Spaß aus der von ihnen ausgelösten Panik bei der Polizeiführung in Cottbus. Genüsslich wird die Schlagzeile der Bild-Zeitung ins Netz gestellt, die "das schlimmste Wochenende seit dem Krieg" prophezeit hatte. Seit März war im Internet für eine Verlegung der bislang stets in Hannover stattgefundenen Chaos-Tage nach Cottbus und Dortmund geworben worden. Favorit blieb in der ganzen Zeit jedoch die Lausitz-Metropole. Denn hier hätten Politik und Polizei keinerlei Erfahrungen mit derartigen Punk-Massen, hieß es. Dieser Satz muss die Brandenburger Behörden geradezu elektrisiert haben. Denn nicht nur Heerscharen eigener Polizisten wurden nach Cottbus in Marsch gesetzt, sondern auch Einheiten aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin. Eine Nachfrage in Dortmund ergab gestern, dass die dortige Polizei kein Versammlungsverbot für Punker ausgesprochen habe. Das sei angesichts der ruhigen Lage "unangemessen", lautete die Begründung eines Polizeisprechers.

Weit weniger gelassen reagierte der Chef des Personal- und Organisationsamtes im Cottbuser Rathaus. Er richtete eine Aufforderung an alle Mitarbeiter im "Objekt Neumarkt 5" im schönsten Behördendeutsch: "Zur Gefahrenabwehr aufgrund der geplanten Chaos-Tage in Cottbus, in der Zeit von 03.08.01 - 05.08.01, sind im Gebäude Neumarkt 5 nach Dienstschluss alle Fenster zu schließen. Dieses bezieht sich auch auf das Verschließen der oberen Fensterreihen. Ich bitte eindringlichst um Erfüllung dieser Festlegung." In der Stadt selbst griffen nur wenige Geschäftsleute zu Spanplatten, Hämmern und Nägeln, um ihre Scheiben und Auslagen zu sichern. Einige Restaurantchefs holten Tische und Stühle vom Fußweg oder schlossen ihre Türen gleich bis Anfang nächster Woche. Die meisten Einkäufer im Zentrum halten den Aufwand für übertrieben. Nur einige Anhänger des FC Energie Cottbus machen sich am Morgen vor der Fahrt zum Auswärtsspiel in Bremen Sorgen. "Hoffentlich geraten wir mit unseren roten Haaren nicht in eine Kontrolle der Nordrhein-Westfalen", meint ein herausgeputzter Fan. "Wir sind schon einmal in Dortmund festgesetzt worden, nur weil wir die Brandenburg-Hymne von der märkischen Heide sangen." Die Zeile "Heil, du mein Brandenburger Land" habe wegen "revanchistischen Inhalts" zur Festnahme auf dem Bahnhof geführt.

Doch gestern verlief für die Fans alles glatt. Die Polizei war mit einer Meldung eines Rundfunksenders beschäftigt, wonach sich 500 Punks in den Wäldern versteckt hätten. Sie stellte sich erwartungsgemäß als Ente heraus.

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