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Brandenburg: Das große Fressen

Eine Baruther Firma züchtet Schlupfwespen, Milben und Marienkäfer. Die Nützlinge vernichten dann Blattläuse und andere Parasiten – zum Beispiel auch im Bundeskanzleramt

Baruth. Auf den ersten Blick sieht es in den Gewächshäusern harmlos aus. Da sprießen Tomatenstauden und Tabakpflanzen, Bohnengewächse und Getreide. Nähert man sich aber den Pflanzen, sieht man, dass es überall wimmelt und krabbelt – und dass hier millionenfach ums Überleben gekämpft wird.

Je mehr getötet, gefressen und ausgesaugt wird, umso besser für die Katz Biotech AG. Die Firma züchtet Schlupfwespen, Milben und Marienkäfer – unter anderem für die Lichthöfe im Bundeskanzleramt in Berlin. Dort sollen sie dann die Blattläuse von den Büropflanzen fressen. Am vergangenen Freitag wurde die 4500 Quadratmeter große Zuchtanlage im 30 Kilometer südlich von Berlin gelegenen Baruth offiziell eröffnet.

Die Firma Katz ist nach eigener Auskunft einer der größten Produzenten von „Nützlingen“ in Deutschland. Zehn Insektenarten hat sie im Angebot. Ihr Geschäftsprinzip: Fressen und Gefressenwerden, 24 Stunden am Tag. Wenn man prächtige Schlupfwespen, Raubmilben und Marienkäfer züchten will, muss man ihnen proppere Blattläuse und weiße Fliegen als Mahlzeit vorsetzen. Und damit die Schädlinge groß und stark werden, braucht man gesunde und starke Pflanzen.

„So sehen die aus, wenn wir mit ihnen fertig sind“, sagt Oliver Hillert und zeigt auf den vertrockneten Rest einer Tabakstaude auf dem Gang zwischen den Gewächshäusern. Es ist angenehm warm hier, die Gewächshäuser sind immer auf 22 bis 24 Grad Celsius geheizt. Oliver Hillert, graues altes T-Shirt, graue alte Jeanshose, lange blonde Haare, ist 36 Jahre alt, gelernter Gartenbauingenieur und einer der beiden Produktionsleiter. Wespen, Milben und Läuse nennt er liebevoll „Tierchen“.

Ein großes gelbes Tabakblatt ist voller schwarzer und weißer Punkte: ein Schlachtfeld, auf dem schwarze Schlupfwespen weiße Fliegen vernichten. Schlupfwespen haben wenig gemeinsam mit den Tierchen auf dem Pflaumenkuchen. Schlupfwespen sind so klein, dass zwanzig von ihnen auf einem Haufen Stecknadelkopfgröße erreichen. Bei ihrer Vernichtungsarbeit frisst die Schlupfwespe den Schädling nicht einfach auf, wie es zum Beispiel die Raubmilben mit den Spinnmilben ein Gewächshaus weiter tun. Sondern die Schlupfwespe legt ihre Eier in die weißen Fliegen hinein. Die Larven, die aus den Eiern schlüpfen, saugen die Fliegen aus und verpuppen sich dann ein zweites Mal. „Morgen kann ich die ernten“, sagt Hillert mit leuchtenden Augen. Pro Woche werden 200000 Insekten geerntet.

Wie das geht, will er nicht verraten. Das gehöre zum Firmengeheimnis. Nur so viel: die verpuppten Schlupfwespen werden von den Blättern gewaschen, auf zehn Zentimeter lange Kartonstreifen geklebt und verschickt. Innerhalb von 24 Stunden muss der Gärtner die Streifen in seine befallenen Pflanzen hängen. Wenn die erwachsenen Wespen dann geschlüpft sind, suchen sie sich sofort die nächstbesten Schädlinge, um ihre Eier hineinzulegen und das große Fressen beginnt von vorne. Weil sich die Insekten in ihrer Entwicklung nicht von Lieferschwierigkeiten bei der Post aufhalten lassen, verlässt sich die Katz AG bei Sendungen in die Ferne lieber auf Paketdienste.

Oliver Hillert und Firmenchef Peter Katz haben wie Bill Gates angefangen. „Wir kommen aus der Garage“, sagt Hillert. Katz züchtete die ersten Läuse im Keller seines Elternhauses in der Nähe von Stuttgart. Vor zehn Jahren gründete er seine Firma, vor drei Jahren hat er die ostdeutsche Firma Flora Nützlinge übernommen, vergangenes Jahr rückten die Bagger in Baruth an. Dort werden die beiden Firmen künftig zusammengeführt – mit nur elf Mitarbeitern. Peter Katz schätzt das Umsatzvolumen auf zehn Millionen Euro, aber mit der Umstellung auf Ökolandbau sind Nützlinge immer gefragter. Denn während Schädlinge gegen Pflanzenschutzmittel mit der Zeit resistent werden, haben sie gegen ihre natürlichen Feinde nie eine Chance.

Der entscheidende Trick bei der Zucht ist, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um die Nützlinge auf die Schädlinge zu setzen. Hier läuft nichts mit Maschinen. „Wer mit Tieren arbeitet, muss flexibel sein“, sagt Hillert. Auch die Schlupfwespe hat ihre Launen.

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