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Brandenburg: Das Kartell der Kleinstadt

Organisierte Kriminalität in Neuruppin: Acht Männer verhaftet, darunter ein Polizist und ein CDU-Abgeordneter

Neuruppin – Die „Neuruppiner Mafia“, wie sie im Ort schon mal genannt wird, versteckte sich nicht. Auf den Kennzeichen ihrer Limousinen gaben sich die Mitglieder an den Buchstaben XY zu erkennen. Selbstbewusst führten sie ihre Geschäfte mit Immobilien, Spielcasinos, Bordellen und Gaststätten. Ihr Geld sollen sich die Männer mit Drogen, Menschenhandel, Glücksspielerei und Steuerhinterziehung verdient haben. Viele Einwohner der Kleinstadt zeigten sich gestern von der Großrazzia der Polizei wenig überrascht. Man hätte so eine Aktion schon lange erwartet, hieß es.

Wie erst jetzt bekannt wurde, ermittelt die Polizei seit fünf Jahren gegen die im Volksmund auch „XY-Mafia“ genannte Bande – angelehnt auch an die ZDF-Sendung „XY ungelöst“. Der Grund für die so lange erfolglose Arbeit lag auf der Hand: Ein 42-jähriger Polizist der Neuruppiner Wache soll die Akteure vor Durchsuchungen gewarnt haben. Der Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA), Toralf Reinhardt, sprach zwar von einer „traurigen Ausnahme“ in den Reihen der Polizei. Doch der Fall hat durchaus eine Parallele im Land. In den Neunzigerjahren hatte sich ausgerechnet der Chefermittler gegen die Organisierte Kriminalität in Frankfurt (Oder) von Bordellbetreibern kaufen lassen.

Der Neuruppiner Polizist sitzt nun wie die anderen sieben Festgenommenen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Verstößen gegen das Ausländergesetz, Drogenhandels und illegalem Glücksspiel in Untersuchungshaft. Als Drahtzieher hat das LKA einen 36-Jährigen ermittelt. Sein Geld hat er mit vielen Dingen verdient – von der Würstchenbude bis zum Nachtclub. Seit vergangenen Jahr sitzt der Mann als CDU-Abgeordneter im Stadtparlament. Sein jüngstes Projekt sollte ein Yachthafen neben einem im Bau befindlichen Hotel sein.

Möglicherweise stammt das Geld dafür aus kriminellen Geschäften wie Drogenhandel und dem Handel mit Prostituierten aus Osteuropa. So lautet der Verdacht der Polizei. Hilfe soll er dabei vom Leiter des städtischen Grundstücksamtes erhalten haben. Auch für ihn ordnete der Haftrichter Untersuchungshaft an. Wie groß das Neuruppiner Netz ist, zeigt die Zahl der Beschuldigten: Gegen etwa 50 Personen wird ermittelt. Ein Mitarbeiter im Gewerbeamt soll für verhafteten Anführer der Gruppe zu niedrige Steuern bewilligt haben, andere Angestellte sollen bei der Geldwäsche geholfen haben.

Wie weit der Arm der Neuruppiner Mafia reichte, zeigten mehrere Gerichtsprozesse seit 1999. Trotz hoher Haftstrafen verrieten die wegen Drogenhandels und Menschenhandels Verurteilten ihre Hintermänner nicht. Bürgermeister Otto Theel (PDS) war gestern nicht zu sprechen. Dabei sind in der Stadt viele Gerüchte zu hören. Theels Sohn saß bisher mit dem Verhafteten auf der CDU-Oppositionsbank.

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