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Brandenburg: Das Land verliert

ClausDieter Steyer über den Zusammenhang zwischen vollen Zügen und stillgelegten Strecken ANGEMARKT Die Bahn in Brandenburg schreibt auf den ersten Blick eine der wenigen Erfolgsgeschichten. Ihre Züge auf den schnellen Regionalexpresslinien von und nach Berlin sind gut gefüllt, mitunter sogar übervoll.

ClausDieter Steyer über den Zusammenhang zwischen vollen Zügen und stillgelegten Strecken

ANGEMARKT

Die Bahn in Brandenburg schreibt auf den ersten Blick eine der wenigen Erfolgsgeschichten. Ihre Züge auf den schnellen Regionalexpresslinien von und nach Berlin sind gut gefüllt, mitunter sogar übervoll. Die Reisenden zeigen sich mit den Angeboten überwiegend zufrieden, von den leidigen Verspätungen einmal abgesehen. Und wenn irgendwann die meistens noch vergammelten Bahnhöfe in Schuss gebracht werden, könnte es die Bahn in diesem Bundesland zu einem echten Sympathieträger schaffen.

Der Hauptgrund für die Stärke der Bahn liegt aber in der Schwäche Brandenburgs. Rund 200 000 Menschen pendeln täglich von außerhalb zu Arbeitsplätzen in Berlin, drei Viertel davon stammen aus dem Umland. Ein großer Teil zieht die Fahrt mit der Eisenbahn dem eigenen Auto vor, weil die Straßen gerade in den Morgen- und Abendstunden oft verstopft sind. So gesehen profitiert die Bahn vom großen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen der Großstadt und dem flachen Land.

Wäre es nicht so, sähe es wohl auch auf den Strecken von und nach Berlin bald so wie in vielen Regionen Brandenburgs aus: Die Züge verkehren in großen Abständen, die Fahrgäste bleiben aus und schon werden die Strecken stillgelegt. Das Land, das den Nahverkehr bei der großen Bahn oder ihren Konkurrenten bestellen muss, spart sich die Ausgaben. Busse ersetzen die Züge – mit allen Nachteilen für Touristen und Menschen mit Kinderwagen oder sperrigen Gütern. Denn Fahrräder und Kinderwagen, ja, selbst den Weihnachtsbaum, nimmt der Bus nicht mit.

Die Ausdünnung des Streckennetzes zeigt deutlich den wirtschaftlichen Niedergang vieler Regionen. Wo einst Industrie- und Agrarbetriebe große Gütermengen zu transportieren hatten, stehen heute nur noch Ruinen, bestenfalls eine grüne Wiese oder ein Einkaufszentrum. Güterbahnhöfe mit großen Rampen, Kränen und Lagerhallen kommen nur noch auf häuslichen Modelleisenbahnen vor. In der Wirklichkeit dominieren Lastwagen das Bild.

So setzt sich der Kreislauf munter fort: Ohne Bahnanschluss verlieren die betroffenen Regionen weiter an Attraktivität, die mobilen Menschen ziehen fort, die Gegenden veröden. Die Bahn sollte aber nicht allein für die Streckenstilllegungen gescholten werden. Sie sind ein Spiegelbild für den wirtschaftlichen Abwärtstrend, genauso wie die vollen Züge von und nach Berlin.

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