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Brandenburg: "Das Mainzer Modell geht an den Problemen hier völlig vorbei"

Christel Koch, Inhaberin dreier Spar-Märkte in Templin, ist enttäuscht. In den vergangenen Tagen wurden sie und ihre Mitarbeiter häufig zu den Kombilöhnen nach dem Mainzer Modell befragt.

Von Sandra Dassler

Christel Koch, Inhaberin dreier Spar-Märkte in Templin, ist enttäuscht. In den vergangenen Tagen wurden sie und ihre Mitarbeiter häufig zu den Kombilöhnen nach dem Mainzer Modell befragt. Der Grund: Christel Koch beschäftigt schon seit einiger Zeit drei Frauen, die vom Arbeitsamt Eberswalde in einem Modellversuch bereits Zuschüsse erhalten. "Natürlich finde ich es gut, wenn meine Mitarbeiter etwas mehr verdienen", sagt Christel Koch. "Aber um die Arbeitslosigkeit in unserer Region spürbar zu senken, bedarf es ganz anderer Mechanismen. Das will aber offenbar keiner hören. Und mich packt jedesmal die kalte Wut, wenn ich den einen oder anderen Spitzenpolitiker dann schwärmen höre, wie toll das mit dem Mainzer Modell ist. Bei mir arbeitet beispielsweise eine allein erziehende Mutter von drei Kindern. Die hätte den Job auch ohne Zuschuss genommen, weil sie einfach das Geld benötigt. Ihr wurde auch erst lange nach Antritt ihrer Arbeit hier mitgeteilt, dass sie gefördert wird."

Elke Schmidt, Sprecherin des Eberswalder Arbeitsamtes bestätigt diese Erfahrung: "Das Mainzer Modell soll Arbeitnehmer motivieren, auch eine niedriger bezahlte Beschäftigung anzunehmen. Wir haben Arbeitslosenzahlen, die sich um 20 Prozent bewegen - da hat man keine Probleme mit der Motivation von Arbeitnehmern. Was uns fehlt, sind Arbeitsplätze."

Natürlich freut sich Elke Schmidt für die 59 Menschen, denen das Arbeitsamt Eberswalde seit Juli 2000 einen Zuschuss zum niedrigen Lohn bewilligen konnte. Wichtiger wären ihrer Meinung nach aber Maßnahmen, um die Arbeitgeber zu stimulieren, neue Jobs zu schaffen. "Vom Kombilohn nach dem Mainzer Modell hat der Unternehmer nichts - im Gegenteil: in Fällen, wo er greift, dürfen wir den Arbeitgebern keine Zuschüsse zahlen."

Das bedauert auch Bernd Grohmann, Bereichsleiter der Eberswalder Reinigungsfirma Platz: "Es wäre sinnvoll, wenn man noch einmal darüber nachdenken würde, ob und wie man die finanzielle Förderung für die Arbeitnehmer mit Zuschüssen für die Arbeitgeber kombinieren kann." In der Reinigungsfirma Platz erhalten zwei Frauen die Lohnzuschüsse. Sie arbeiten halbtags zu einem Tarifstundenlohn von 11,40 D-Mark. Im Monat kommen da knapp 500 Euro zusammen - fast so hoch wäre auch ihr Arbeitslosengeld. Der Zuschuss beträgt 150 Euro im Monat - das genügte in diesen beiden Fällen als Anreiz.

Trotzdem äußerten sich sowohl Gewerkschafter und Arbeitnehmerverbände als auch viele Arbeitgeber in Brandenburg in den vergangenen Tagen skeptisch zum Mainzer Modell. Der Geschäftsführer der IG Metall Riesa / Finsterwalde, Hans-Harald Gabbe, glaubt den Grund dafür zu kennen: "Für den Osten ist das auch aus wirtschaftspolitischer Sicht eher lächerlich - nein: traurig - weil es an den wahren Problemen hier völlig vorbei geht. In Brandenburg machen Betriebe mit dutzenden von Arbeitnehmern Pleite, obwohl sie Gewinne erwirtschaften und genügend Aufträge haben." Und dann schildert Gabbe den Fall einer Firma aus Doberlug-Kirchhain, deren Besitzer nach der Wende mit vier Beschäftigten begann und wenige Jahre später fast 50 Arbeitsplätze geschaffen hatte. Die Firma arbeitete erfolgreich - sie scheiterte letztlich daran, dass der Besitzer wie viele Ostdeutsche über zu wenig Kapital verfügte, um die im Baugewerbe notwendigen Vorfinanzierungen für größere Aufträge zu leisten. "Und die Banken im Osten", ärgert sich Gabbe, verweigerten ihm einen entsprechenden Kredit".

Seit Jahren plädiert Hans-Harald Gabbe deshalb schon für regionale Finanzierungsfonds nach dem Beispiel von Bayern - vergeblich. Und statt des Mainzer Modells würde er lieber dem französischen Beispiel folgen, wo die Arbeitslosigkeit gesenkt wurde, indem man bei einem garantierten Mindestlohn die 35-Stunden-Woche einführte und die Überstunden reduzierte. "Aber das", befürchtet Gabbe, "wird angesichts der mittelstandsfeindlichen Wirtschaftspolitik in Berlin und Potsdam wohl ein Traum bleiben."

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