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Brandenburg: Das Martyrium des kleinen Pascal

Im Prozess um die Misshandlungen eines Zweijährigen sagte am Freitag der medizinische Gutachter aus. Das Kind wird schwer behindert bleiben

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder). Nachdenklich schaut Ulrich Gräbert auf den Fleischklopfer in seiner Hand. Bringt es wirklich jemand fertig, damit auf ein Kleinkind einzuschlagen? Gräbert leitet als Vorsitzender Richter den Prozess um die Misshandlung des zweijährigen Pascal aus Strausberg. Im März dieses Jahres war der Junge mit schwersten inneren Verletzungen in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert worden. Durch ein Loch im Darm ergoss sich Flüssigkeit in die Bauchhöhle – das Kind musste sofort operiert werden.

Mindestens zwölfmal stand danach sein kleines Herz still. Immer wieder reanimierten ihn die Ärzte, der Kampf währte den ganzen Tag. Dann schlug Pascals Herz allein weiter. Doch die Mediziner konnten nicht verhindern, dass das Gehirn des Jungen zeitweilig unter Sauerstoffmangel litt. „Pascal wird nach jetzigem Stand mehrfach schwer behindert bleiben“, schätzte ein Gutachter gestern vor dem Landgericht in Frankfurt (Oder) ein: „Er leitet unter spastischer Lähmung, einer Verkrümmung der Wirbelsäule, er kann nicht richtig sehen, nicht laufen oder sprechen und wird wahrscheinlich immer auf fremde Hilfe angewiesen sein“, sagte Michael Voß vom Landesinstitut für Rechtsmedizin.

Der Mann, der all dies verschuldet haben soll, zeigte auch gestern keine Regung. Eher gelangweilt schaute der 24-jährige Marcel O. in die Runde. Er war der Lebensgefährte von Pascals Mutter Melanie J., die nun neben ihm auf der Anklagebank sitzt. Ihre blonden Haare verdecken das Gesicht. Sie knüllt ein Papiertaschentuch in den Händen und weint, als der Gutachter das Martyrium ihres Sohnes schildert. Vom April 2002 bis März 2003 wurden dem Jungen massive Verletzungen beigebracht: Knochenbrüche, Blutergüsse, gequetschte Finger . . . In den meisten Fällen kann der Gutachter auch die Ausreden, die Ärzten oder Bekannten als Erklärung für die Verletzungen aufgetischt wurden, widerlegen: Ein Kleinkind kann sich eben nicht mit dem Feuerzeug drei Narben in die Kniekehle brennen – das müssen glimmende Zigaretten gewesen sein. Auch die Knochen- und Rippenbrüche sowie die inneren Verletzungen bei Einlieferung in die Klinik seien nur durch massive Gewalteinwirkung zu erklären. Mutter Melanie hat dem Gericht gesagt, sie habe vermutet, dass Marcel den Jungen schlage, sei ihm aber hörig gewesen. Die 22-jährige Tochter einer Lehrerin kann sich gut ausdrücken, ihr Ex-Freund schweigt bislang. Melanie hat sich von ihm getrennt, obwohl sie vor wenigen Wochen ein Kind von ihm zur Welt brachte, das in einer Pflegefamilie lebt.

Pascals leiblicher Vater sitzt an jedem Prozesstag in der letzten Reihe des Landgerichts. Immer wieder informierte er das Strausberger Jugendamt über Pascals Verletzungen. Man hat ihm nicht geglaubt.

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