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Brandenburg: Das Sandsack-Kommando

Die Bundeswehr rückt an und zieht in eine Turnhalle ein. Ein Besuch im Quartier der Deichretter

Bad Wilsnack - Wie ein Ferienlager mutet das Camp an, das die Bundeswehr in der vom Hochwasser bedrohten Region im Rühstädter Bogen aufgeschlagen hat. 150 Panzergrenadiere aus Brandenburg an der Havel sind in die Prignitz gekommen, um die Elbanrainer vor den überschwappenden Wassermassen zu schützen. Rund um Rühstädt und Bälow ging ein Aufatmen durch die Bevölkerung. Rühstädts Bürgermeister Jürgen Herper sagte: „Endlich sind unsere Retter da, um zu helfen!“

Quartier fanden die 149 Männer und eine Frau von den Brandenburger Panzergrenadieren in der Bad Wilsnacker Karthanehalle. Die Sporthalle des Kurortes beherbergt sonst eigentlich Hobbyfußballer, Gymnastikgruppen und Freizeithandballer. Jetzt also ist die Bundeswehr eingezogen. Am Donnerstagmittag erhielten sie den Schlüssel und sofort übernahmen die Männer und Frauen in Tarngrün das Kommando über die Halle. Mit Sack und Pack, natürlich alles militärisch geordnet, zogen sie ein. Oberleutnant Peter Gorynski war überrascht: „Mein lieber Herr Gesangsverein! Das ist aber mal ein Quartier!“ Sonst müssen die Soldaten bei Einsätzen im Panzer nächtigen oder sich mit der Isomatte ins Gebüsch kuscheln. Hier in Bad Wilsnack aber gibt es Klimaanlage, fließend Warmwasser und Fernsehen. Das alles sei aber zweitrangig, sagt der Oberleutnant. „Wir sind ja hier nicht um Ferien zu machen, sondern um zu helfen.“ Und das heißt vor allem: Sandsäcke stapeln und damit die aufgeweichten Deiche stabilisieren.

Die Kameraden kampieren auf Doppelfeldbetten. Zum Kollegen Soldat sind es nur knappe 20 Zentimeter. Wenn da jemand schnarcht, gibt es in der Halle sicher gleich 148-fachen Unmut. Doch Gorynski winkt ab: „Die Leute kommen teilweise von 28-stündigen Einsätzen am Deich wieder. Da schert es kaum einen, wenn da jemand schnarcht“, sagt er. „Die Jungs sind froh, wenn sie eine Mütze voll Schlaf bekommen. Da könnte ein Panzer vorbeirollen, und die Soldaten merken davon nichts.“ Das bestätigt auch Stabsgefreiter Marcel Richter. „So eine Turnhalle wird schon zum Luxus, weil man sich einfach ins Bett hauen und abschalten kann!“

Und das ist gar nicht so einfach, denn die Jungs bringen einen Haufen Eindrücke vom Deich mit. Manche machen sich Sorgen um die Anwohner: Was ist, wenn der Deich bricht? Was, wenn die hier ihr Hab und Gut verlieren? Auch Richter beschäftigt die Hochwasserlage an der Elbe intensiv. „Vor vier Jahren waren wir ebenfalls im Hochwassereinsatz. Damals ist bei Magdeburg alles gut gegangen“, erzählt er. „Heute in Bälow sieht die Lage anders aus. Wir müssen mächtig ranklotzen, um das Schlimmste zu verhindern.“

Ganz wichtig ist da die Verpflegung der Soldaten. John Schach ist dafür verantwortlich. „Mit Erbsensuppe brauche ich denen nicht zu kommen“, sagt er. „Es muss immer ein Stück Fleisch auf dem Teller liegen. Bevorzugt wird Schnitzel.“ Wenn er „Pamps“ auftischte, gäbe es Ärger mit den Kameraden. Das sei aber in all den Jahren noch nicht vorgekommen.

Unterdessen rumpelt es ordentlich vor der Halle! „Wir bekommen gerade drei Extraduschkabinen, damit sich alle Kameraden nach der harten Arbeit frisch machen können!“, erklärt Peter Gorynski und dann rumpelt es wieder. Der erste Trupp kommt vom Deich wieder. Bevor die Soldaten ins Bett fallen, gibt es Schnitzel. „Ich will mir nur noch den Magen voll schlagen und pennen!“, sagt der Stabsgefreite Richter und geht. In der Turnhalle wird es bald noch enger. Am kommenden Montag sollen weitere 100 Kameraden einziehen. Am Deich werden noch mehr Leute zum Abdichten gebraucht.

George Russew

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