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Brandenburg: Der Havel wird ihr Bett gemacht

Der Unterlauf des Flusses zwischen Brandenburg und Elbe soll nach 150 Jahren renaturiert werden

Brandenburg/Havel – Als Badegewässer ist die Havel zwischen der Stadt Brandenburg und ihrer Mündung in die Elbe bei Gnevsdorf nicht ausgewiesen. Das liegt aber keineswegs an der Wasserqualität. Denn die unterscheidet sich kaum von der der Seen, die dieser Teil der Havel speist. Nach dem faktischen Ende der Güterschifffahrt auf diesem 84 Kilometer langen Havel-Abschnitt nach der Wende ist das auch kein Wunder. Auch von den Feldern werden nur noch geringe Mengen an Düngemitteln in den Fluss geschwemmt. Dennoch springen auch Einheimische selbst an heißen Sommertagen nicht in die Havel. Das mächtige Bollwerk an beiden Ufern – eine dicke Barriere aus großen Steinen – hindert sie daran. Doch das soll sich ändern, und auch Flora und Fauna profitieren: Die Havel soll renaturiert werden.

Die steinerne Uferbefestigung verwandelte die Untere Havel in den 50er und 60er Jahren endgültig in eine Art Kanal. Die Begradigung des Flusses hatte jedoch schon um 1850 begonnen. Große Lastkähne sollten auf ihrem Weg nach Berlin möglichst schnell vorankommen. Da störten die vielen engen Kurven des natürlichen Havelbettes. Die Schiffe beförderten vor allem Ziegel in die Großstadt. Bis zu vier Meter mächtige Tonschichten machten das westliche Havelland zu einem Zentrum der Ziegelproduktion. Erst 1966 schloss in Bützer das letzte Werk. Mit der Begradigung der Havel wurden viele Altarme geschlossen oder zugeschüttet. „Die Steine an den Ufern wurden aber erst nach der Berliner Blockade verlegt“, erinnert sich Bürgermeister Peter Wittstock aus dem direkt an der Havel gelegenen Milow. Öl und andere Haupt-Versorgungsgüter kamen dann jahrzehntelang vor allem aus Hamburg und wurden über Elbe und Havel bis Spandau geschifft. Die DDR kassierte kräftig Transitgebühren und befestigte die Ufer.

Mit dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nach der Wende wurde diese Strecke nicht mehr gebraucht – auch der Ausbau der Havel im Rahmen des „Verkehrsprojektes 17“ erstreckt sich auf einen anderen Abschnitt: den zwischen Brandenburg, wo der Elbe- Havel-Kanals in sie mündet, und Berlin.

Ein vollständiger Rückbau in den Zustand um 1900 würde rund 200 Millionen Euro kosten, schätzt Brandenburgs Agrarminister Wolfgang Birthler (SPD). „Dieses Geld kann in Brandenburg zwar niemand aufbringen, aber wir hoffen auf die Hilfe des Bundes.“ Genauer gesagt: auf Geld aus dem „Gewässerrandstreifenprojekt“, von dem bereits der Spreewald profitiert. Für die Untere Havel zwischen Brandenburg und der Havel-Mündung hat das Bundesumweltministerium nach Birthlers Angaben 25 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Bis zum Herbst wird mit einer Entscheidung gerechnet; die Havel würde dann in diesem Abschnitt keine Bundeswasserstraße mehr sein.

Rocco Buchta, Chef des Naturparks Westhavelland, träumt schon von Lachsen, die letztmalig vor 80 Jahren in dem Fluss gesichtet worden. „Auch Biber, Fischotter, Uferschnepfen und vom Aussterben bedrohte Pflanzen- und Tierarten hätten hier eine gesicherte Heimat.“ Buchta hält die 25 Millionen Euro für ausreichend, sechs der 20 geschlossenen Altarme wieder zu öffnen und bis zu 50 Kilometer Ufer zu entsiegeln. Diese Befreiung der Ufer vom Stein würde nicht nur ursprünglich hier heimische Tiere und Pflanzen wieder anlocken und den Wasserhaushalt stärken.

Touristen in Kanus und Hausbooten könnten hier ein neues Terrain erobern und an heißen Tagen ohne Gefahr auch vom Ufer aus ins Wasser springen.

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