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Brandenburg: Der leise Protest der Opfer

Die meisten vorbereiteten Protestplakate und Transparente blieben gestern in der Gedenkstätte Sachsenhausen zusammengefaltet oder eingerollt. Offensichtlich hatte das neue Museum über das sowjetische Speziallager, das von 1945 bis 1950 auf dem Gelände des früheren KZ bestand, die Mehrheit der Überlebenden und ihre Angehörige überzeugt.

Die meisten vorbereiteten Protestplakate und Transparente blieben gestern in der Gedenkstätte Sachsenhausen zusammengefaltet oder eingerollt. Offensichtlich hatte das neue Museum über das sowjetische Speziallager, das von 1945 bis 1950 auf dem Gelände des früheren KZ bestand, die Mehrheit der Überlebenden und ihre Angehörige überzeugt. "Auch wenn wir den Platz des Museums nicht optimal finden, ist es doch ein Schritt in die richtige Richtung", sagte der ehemalige Häftling Kurt Weiss. Die "Diskriminierung der Stalinismus-Opfer" gegenüber KZ-Häftlingen müsse endlich abgebaut werden.

Eine Liste von Kurt Weiss gehört zu den rund 700 Exponaten in der 5,4 Millionen Mark teuren Dauerausstellung. Auf ihr schrieb er die Namen von 37 jungen Menschen aus der thüringischen Kleinstadt Greußen, die mit ihm im Oktober 1945 vom sowjetischen Geheimdienst NKWD unter der Anschuldigung des Widerstandes gegen die Besatzungsmacht verhaftet und nach Sachsenhausen gebracht worden waren. Die Liste enthält 20 Todeskreuze.

Insgesamt überlebten rund 12 000 der 60 000 Häftlinge dieses größte sowjetische Internierungslager nicht. Sie verhungerten oder starben an Krankheiten und Seuchen. "Trotz dieses neuen Museums fühlen wir uns noch immer als Opfer 2. Klasse", erklärte Gisela Gneist, die als 15-Jährige nach Sachsenhausen kam. "Die Ausstellung befindet sich entgegen den Zusagen der Gedenkstättenstiftung außerhalb des Lagers. Sie wurde zudem teilweise unter die Erde verlegt, damit es die Lagermauer nicht überragt." Es sei unangebracht, Gegenstände des ehemaligen Lagerkommandanten in einem Museum zur Erinnerung an die Opfer zu zeigen.

Der Sohn dieses Kommandanten, Alexej Kostjuchin, der der Gedenkstätte Möbel und andere Gegenstände aus dem Nachlass seines Vaters übergeben hatte, vertrat gestern als einziger die russische Seite. Nach dem massiven Protest des Moskauer Außenministeriums, das der Ausstellung ein "Reinwaschen der Taten von Nazi-Verbrechen" vorgeworfen hatte, erschien trotz Einladung kein Vertreter Russlands zur Eröffnung.

Vor allem zwei Ziele der Ausstellung nannte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch: Bei den Besuchern Mitgefühl mit dem Schicksal der Häftlinge und Bestürzung über die menschenverachtende Gleichgültigkeit der Täter zu wecken. Jutta Limbach, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, bezeichnete das Museum alseinen "mutigen Versuch der Aufarbeitung" von jahrzehntelang verschwiegenen Taten. "Jedem Opfer gilt unsere Aufmerksamkeit", erklärte Limbach in Anspielung auf die vermeintliche Gleichsetzung von Nazi-Terror und Besatzungsmacht.

Eindrucksvoll sind vor allem die illustrierten Biographien von 28 Häftlingen. Weiter werden Dokumente über den Obergutachter des NS-Euthanasieprogramms, Professor Hans Heinze, gezeigt und das Blütenblatt einer Nelke, mit dem Potsdamer Schüler auf der Mai-Demo 1946 gegen die Zwangsvereinigung von KPD und SPD protestierten und deshalb verhaftet wurden.

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