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Brandenburg: „Die Bayern sind nicht das Maß aller Dinge“

Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schönbohm stellt sich bei der Steuerreform gegen CSU-Chef Stoiber und CDU-Chefin Merkel

Sie haben früher in der Koalition oft Klartext gesprochen. Warum halten Sie sich neuerdings zurück?

Die Schwierigkeiten, die wir wegen der Haushaltskrise haben, sind groß. Wir können sie nur kollegial lösen. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, aber wir versuchen, sie intern zu klären. In diesen Gesprächen lasse ich keinen Zweifel an meiner Position.

Sie melden sich auch in der Bundespolitik kaum noch zu Wort. Zeigt Platzecks kürzliche Drohung mit RotRot Wirkung?

Die Union ist nicht erpressbar. Deshalb können mich Drohungen nicht abhalten, deutlich zu sagen, was zu sagen ist. Derzeit stehen aber Fragen im Mittelpunkt der Bundespolitik, die nicht unmittelbar Brandenburg berühren. Bei der Frage der Steuerreform und Kommunalfinanzen ist das anders. Sie betreffen uns alle. Hier erhebe ich deutlich meine Stimme – und werde das auch weiterhin tun.

Reicht das, was Rot-Grün zur besseren Ausstattung der Gemeinden beschlossen hat, aus?

Wenn die Kommunen von der Sozialhilfe entlastet werden, ist das eine Hilfe, ebenso wie Verbesserungen bei den Einnahmen. Nur ist die Lage in den ostdeutschen Kommunen viel prekärer als im Westen. Ich befürchte, dass es für die West-Kommunen eine deutliche Entlastung geben wird, für die ostdeutschen aber nicht. Im übrigen ist noch nicht präzise erkennbar, was die Bundesregierung am Ende wirklich vorlegt.

Stoiber und Merkel wollen die Steuerreform nicht blockieren, Sie hingegen machen aus Ihrer Skepsis keinen Hehl. Warum?

Ich sehe das aus der Sicht unseres Landes. Wir haben in Brandenburg eine der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen. Wir marschieren in einen Schuldenstaat, deshalb müssen wir die Neuverschuldung gering halten. Schon jetzt ist aber erkennbar, dass wir uns 2004 mit mindestens einer Milliarde neu verschulden müssen – und zwar ohne die Ausfälle beim Vorziehen der Steuerreform. Wenn wir keinen deutlichen Ausgleich durch die Bundesregierung bekommen, wäre die vorgezogene Steuerreform nicht zu verantworten, wir bekämen einen verfassungswidrigen Haushalt.

Das heißt, Sie teilen die Position von Roland Koch, der die vorgezogenen Steuersenkungen wegen untragbarer Lasten für die Länder ablehnt?

Ich bin seiner Meinung, dass Steuersenkungen mit Strukturveränderungen einher gehen müssen. Ein Beispiel: Über 50 Prozent der Ausgaben der Landkreise betreffen zur Zeit den Sozialbereich. Diese Bundesgesetze strangulieren die Kommunen und müssen verändert werden.

Edmund Stoiber hat Roland Koch vor weiteren Störmanövern gegen vorgezogene Steuerentlastungen gewarnt. Zerreibt sich die Union?

Die Art, wie Herr Stoiber Herrn Koch öffentlich kritisiert, ist nicht akzeptabel. Ich will auch in aller Klarheit sagen, dass sich das nicht wiederholen sollte. Das können sich weder Koch noch die CDU gefallen lassen. Es kann nicht sein, dass die Bayern jetzt meinen, sie seien das Maß aller Dinge.

Kann der Streit um die Steuerreform zur Zerreißprobe der großen Koalition in Brandenburg werden?

Das glaube ich nicht. Uns ist klar, dass es einen Ausgleich geben muss. Wir wissen aber auch, dass es keinen hundertprozentigen geben wird. Das Vertretbare zu benennen ist – anders als seinerzeit beim Zuwanderungsstreit – keine grundsätzliche, sondern eine pragmatische Frage.

Bleiben Sie dabei, dass Brandenburg die Steuerreform im Bundesrat ablehnen muss, wenn es keinen hinreichenden Ausgleich für die Steuerausfälle gibt?

Ja. Brandenburg kann nicht zustimmen, wenn Einnahmeausfälle von 260 Millionen auf das Land und 90 Millionen auf die Kommunen zukommen. Land und Kommunen wären dann nicht mehr handlungsfähig.

Das Kabinett will Ende August den Haushalt 2004 beschließen. Ist das sinnvoll, wenn die Deckungslücke von 1,4 Milliarden Euro noch weiter wächst?

Wenn unklar ist, was Steuer- und Gemeindefinanzreform bringen, stehen wir vor einer schwierigen Situation.

Einer noch höheren Neuverschuldung, als derzeit mit einer Milliarde geplant, würden Sie nicht zustimmen?

Wir können 2004 kaum noch einsparen. Andererseits müssen wir aufgrund der hohen Staatsverschuldung rigoroser herangehen. Deshalb gehen wir an die Strukturen. Das wirkt nicht sofort.

PDS-Landeschef Christoffers hat sich wegen der desaströsen Finanzlage in Berlin und Brandenburg für eine Verschiebung der 2006 geplanten Volksabstimmung über die Länderfusion ausgesprochen, weil die Niederlage programmiert wäre. Wie denken Sie darüber?

Ich habe immer darauf hingewiesen, dass die Finanzlage Berlins eine Schlüsselfrage für die Fusion ist. Berlin will 2004 fünf Milliarden neue Schulden machen, bei einem Haushalt, der nur doppelt so groß ist wie unserer. Das ist gespenstisch. Das von Herrn Christoffers angesprochene Problem sehe ich auch. Wir müssen abwarten, ob der Bund Berlin hilft. Ich hoffe aber, dass der Zeitplan zu halten ist.

Das Interview führte Michael Mara.

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