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Brandenburg: Die Deiche von Mühlberg weichen auf

4000-Seelen-Stadt bereitet sich auf die wohl nicht mehr abzuwendende Überflutung vor/ Damm bei Kreinitz gebrochen

Von Claus-Dieter Steyer

Mühlberg. Südlich von Mühlberg (Elbe- Elster) ist am Freitagnachmittag ein Deich gebrochen. Von dem Durchbruch im sächsischen Kreinitz auf der rechten Seite der Elbe gehe aber bislang keine direkte Gefahr für Mühlberg und seine südlichen Ortsteile aus, teilte die Einsatzleitung mit. Das potenzielle Überschwemmungsgebiet wird mit 100 Quadratkilometern angegeben. Darin liegt auch der Ort Neuburxdorf, in dem auch aus Mühlberg evakuierte Menschen untergebracht sind. „Das Wasser läuft bislang nicht in unsere Richtung“, sagte ein Sprecher der Mühlberger Einsatzleitung. Die noch im Ort verbliebenen Menschen würden über die neue Situation informiert. Es werde versucht, das Wasser mit Hindernissen aufzuhalten.

„Das Wasser kommt!“ Im Handumdrehen drängeln sich am Nachmittag Menschen in Uniformen auf dem kleinen Platz vor dem Hafen der Kleinstadt Mühlberg. Die Nachricht hat Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Gummistiefel ersetzen Straßenschuhe, Soldaten legen Schwimmwesten an. Zwar fahren die Autos schon durch eine große Wasserlache, aber Lothar Witschas vom Landesumweltamt beruhigt: „Die Deiche hier in Mühlberg weichen zwar auf, noch halten sie aber. Das Wasser sickert nur von unten durch. Es ist nicht die ganz große Katastrophe.“ Dennoch stehen bald eine Straße, Keller und Gärten unter Wasser. Lastwagen bringen Sandsäcke heran, um den Deich wenigstens um einen halben Meter zu erhöhen.

Einige Anwohner eilen zum Hafen. Ihre Gelassenheit, mit der sie bisher auf die Überschwemmungsgefahr reagierten, scheint dahin zu sein. „Ich könnte heulen“, sagt Katrin Diecke. „Vor zwei Jahren haben wir unser Haus hinter dem Deich grundlegend renoviert. Jetzt ist vielleicht alles bald kaputt.“

In ihrer Not fleht sie die Bundeswehr um Sandsäcke an. „Wir liegen an der tiefsten Stelle. Bei uns würde das Wasser am ehesten eindringen.“ Doch die Soldaten sichern andere Orte am Damm ab. Die Fachleute vom Landesumweltamt weisen ihnen den Weg.

Lothar Witschas von dieser Behörde kontrolliert einen provisorisch in den Fluss gesteckten Pegelstab, da die automatische Messanlage längst unter der Wasseroberfläche liegt. Bei 9,13 Meter steht das Wasser um 11 Uhr. Damit werden alle bisherigen Hochwassermarken in Mühlberg weit übertroffen. Letztmalig versank die Stadt 1830 und 1890 in den Fluten. „Jetzt dürfte die Wassermenge bedeutend größer sein“, erklärt Witschas. 4100 Kubikmeter fließen derzeit in jeder Sekunde an Mühlberg vorbei. Das sind rund 36 Millionen Kubikmeter am Tag, die große Talsperre bei Spremberg wäre damit innerhalb eines Tages gefüllt. Falls das Wasser tatsächlich über den Deich schwappt, befürchtet der Wasserbau-Experte einen Dammbruch von vielleicht 100 bis 200 Meter Breite. Wie beim Oder-Hochwasser vor fünf Jahren ströme die Flut dann in breiter Front in die Stadt. Nicht zuletzt diese Aussicht hält die Zahl der in der Stadt bis zuletzt ausharrenden Einwohner klein. Landrat Klaus Richter schätzt sie am Mittag auf 300. Rund 4000 Menschen hätten die Stadt und die angrenzenden Orte verlassen.

Eine Zwangsevakuierung ordnet er dennoch nicht an. „Wir hoffen auf die Vernunft der Bürger, freiwillig zu gehen. Denn sie bringen im Fall der wohl nicht mehr zu verhindernden Überschwemmung nicht nur sich, sondern auch das Leben der Retter in höchste Gefahr.“ Einige Einwohner, die bereits am Mittwoch und Donnerstag zu Freunden oder in Notquartiere außerhalb der Stadt gezogen waren, durften gestern noch einmal für kurze Zeit zurück in ihre Häuser. Die Einsatzleitung richtete sich auf eine Überflutung der Deiche in Mühlberg in der Nacht zum Sonnabend ein.

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