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Brandenburg: Die große Hoffnung auf eine letzte Chance

In dieser Woche konstituiert sich die brandenburgische Härtefallkommission. Sie kann aus humanitären Gründen ein Bleiberecht für Ausländer empfehlen

Von Sandra Dassler

Potsdam – Keine Therapie hat die Bilder vertreiben können, die Ania (Name geändert) nachts heimsuchen. Vor zehn Jahren musste sie mit ansehen, wie ihr Bruder erschossen wurde. Mit Kind und Mann ist Ania damals geflohen – weg aus Bosnien, wo Nachbarn zu Mördern wurden. In einer märkischen Stadt fand die Familie neue Freunde. Die zweite Tochter wurde geboren, die Kinder sind heute acht und zwölf Jahre alt. Bosnien kennen sie nicht. Weil Kriegsflüchtlinge kein Asyl erhielten, wurde die Duldung immer wieder verlängert. Anias Mann darf kein Geld verdienen, obwohl er eine Arbeitsplatzzusage hat.

Maurice (Name geändert) demonstrierte 1993 mit anderen Studenten in Togo gegen die Militärdiktatur. Als ein Freund nach dem anderen verschwand, floh der 22-Jährige nach Deutschland. Die Teilnahme an einer Demonstration, die ihn bei einer Rückkehr das Leben kosten könnte, reichte hier nicht aus, um politisches Asyl zu erhalten. Vor fünf Jahren wurde Maurice von mehreren rechten Schlägern attackiert und schwer verletzt.

Ania und Maurice sind zwei Beispiele für Menschen, die in Brandenburg integriert sind, aber rechtlich gesehen nicht bleiben dürfen. Jetzt hoffen sie auf die Härtefallkommission, die das Land im Zuge des neuen Zuwanderungsgesetzes am Freitag einrichten will. Sie kann aus humanitären Gründen das Bleiberecht für bestimmte Ausländer empfehlen, auch wenn die rechtlichen Wege ausgeschöpft sind. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte sich lange gegen eine solche Kommission gewehrt, die es in Berlin schon seit 1990 gibt und die auch der Koalitionspartner SPD forderte. Nach der Landtagswahl gab er nach.

Die Kommission setzt sich aus acht Mitgliedern zusammen: Evangelische und Katholische Kirche, Flüchtlingsrat, Wohlfahrtspflege, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag, Innen- und Sozialministerium entsenden je einen Vertreter. Verstimmung rief hervor, dass Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almuth Berger zwar Mitglied ist, aber kein Stimmrecht hat. In Berlin, sagen viele, wäre so etwas undenkbar. Nach Tagesspiegel-Informationen intervenierte Ministerpräsident Platzeck (SPD) deshalb kürzlich noch einmal bei Schönbohm. Doch der blieb hart. Die Härtefallkommission ist dem Innenministerium unterstellt, sie kann nur Vorschläge unterbreiten, die Entscheidung trifft letztlich Schönbohm. Deshalb finden es manche bedenklich, dass das Ministerium einen Vertreter in die Kommission entsendet. Damit ein Fall überhaupt angenommen wird, bedarf es der Zwei-Drittel-Mehrheit. Für andere Beschlüsse genügt die einfache Mehrheit.

Es gibt aber noch härtere Kritik am festgelegten Verfahren. So sollen Flüchtlinge, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, von der Prüfung durch die Kommission ausgeschlossen werden. Zur Fahndung ausgeschrieben werden aber nicht etwa nur Kriminelle, sondern alle Asylbewerber, die sich der Abschiebung entziehen, in dem sie nicht mehr zur Ausländerbehörde gehen. Auch Flüchtlinge im Kirchenasyl hätten keine Chance. „Absurd“, nennt Traudel Vorbrodt, die seit 15 Jahren für die Berliner Härtefallkommission arbeitet, diese Regelung. „So etwas gibt es weder in Berlin noch in einem anderen Bundesland“, sagt sie. Noch problematischer sei, dass die Kommission keine Anträge von Flüchtlingen annehmen dürfe, für die der Abschiebe-Termin bereits feststehe. Die Ausländerbeauftragte Almuth Berger sieht das ähnlich. „Wenn wir feststellen, dass dadurch tatsächlich viele Härtefälle nicht behandelt werden können, müssen wir uns für Nachbesserungen stark machen.“

Helmuth Friske, Pfarrer im Ruhestand, wird deutlicher: „Sollte sich herausstellen, dass die Härtefallkommission eine Farce ist, werden wir uns wehren“, sagt er und meint den Kirchenkreis und viele Bürger von Altlandsberg, die sich seit Jahren für die vietnamesische Familie Nguyen einsetzen. Sie wurde im Jahr 2000 bundesweit bekannt, als der Vater und der Sohn getrennt von der damals schwangeren Mutter abgeschoben werden sollten. Um das zu verhindern, erhielten sie mehrere Monate Kirchenasyl der evangelischen Gemeinde Dolgelin. Seither ist die Duldung immer wieder verlängert worden – zuletzt bis März.

Wie Maurice aus Togo und Ania aus Bosnien hoffen auch die Ngyuens, dass ihr Fall einer der ersten sein wird, den die neue Härtefallkommission behandelt.

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