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Brandenburg: Die Jünger des Weißenberg

Die Johannische Kirche trifft sich im „Frommen Löffel“ in Grunewald

Rührei mit Schinken und klapperndes Geschirr, das ist der erste Eindruck vor der Kirchentür. Und eine große Traube locker durcheinander plaudernder Gottesdienstbesucher der zweite. Der Frühstücksduft kommt vom Restaurant im St.-Michaels-Heim, das alteingesessene Berliner als „Frommer Löffel“ kennen. Hier an der Bismarckallee in Grunewald betreibt die Johannische Kirche seit 1957 im ehemaligen Palais Mendelssohn ein Gästehaus und eine Sozialstation.

Ein paar tausend Mitglieder hat diese christliche Religionsgemeinschaft in Berlin und Brandenburg. Gut 100 von ihnen, darunter viele Kinder, sitzen im damit gut gefüllten Kirchensaal. Der Gottesdienst ist kurz und knackig. Nach einer halben Stunde sind Lieder, zwei Vaterunser, Predigt und Segen schon vorbei. Prediger Joachim Golz ist kein studierter Theologe, sondern – wie in der Johannischen Kirche üblich – ein berufener Laie. Sein Thema ist Jesus’ Heilung des Gichtbrüchigen (Matthäus 9). Die Heilung kranker Menschen fängt in der Seele an, lautet die schlichte These, und sie wird heil im Glauben an Gott, Jesus und den Heiligen Geist. Von Letzterem erhoffen sich die frei sprechenden Johannischen Prediger besondere Inspiration. Aber wer oft predigt, kann auch mal Pech haben, meint Gemeindemitglied Andreas Ritter entspannt.

Entspannt – das ist überhaupt ein gutes Stichwort, um die Stimmung unter den Johannischen Christen zu beschreiben. Freundlich sind sie, bodenständig und weltoffen. Auf ihren Propheten und Meister Joseph Weißenberg angesprochen, der mit seiner neuen Kirche 1926 die „Überbrückung der Konfessionen durch die Liebe“ propagierte, sagt Siegfried Sonntag aus Nikolassee freimütig: „Alte Berliner kennen ihn noch als Weißkäsepropheten.“ In der Tat war der Charismatiker Joseph Weißenberg im Berlin der Weimarer Republik als Heilpraktiker bekannt, zu dessen Mitteln auch Quark gehörte. Im herrschaftlichen Foyer des St.- Michaels-Heims hängt er in Öl gemalt. Ernster Patriarchenblick über buschigem Schnäuzer und die Bibel fest in der Hand.

Von der eigentümlichen Spiritualität der Johannischen Kirche, wie Zungenreden und Heilen durch Handauflegen, ist an diesem Sonntag nichts zu merken. In angeschlagenen Zetteln allgegenwärtig ist dafür das bunte Gemeinschaftsleben und die soziale Ader der Johannischen Christen, die ein ganzes Sozialwerk betreiben. Alles im Sinne ihres Bekenntnisses: „Ich glaube an Gottes Offenbarungen durch Mose, Jesus Christus und Joseph Weißenberg.“

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