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Brandenburg: Die Nachbarn stellten keine Fragen

Prozess um tote Babys: Starb ein Kind erst 2002?

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder) - Eine Plastiktüte von Aldi stand gestern im Mittelpunkt des Interesses beim Prozess um die neun toten Babys von Frankfurt (Oder). Wie berichtet ist die 40-jährige Sabine H. angeklagt, acht ihrer neugeborenen Kinder zwischen 1992 und 1998 getötet zu haben. Der Tod eines weiteren Kindes aus dem Jahr 1988 gilt als verjährt. Gefunden wurden die neun Babyleichen im Juli letzten Jahres in Blumenkübeln und Pflanzgefäßen. Zum Teil waren sie in Plastiktüten verpackt. Besagte Aldi-Tüte, das sagte eine leitende Angestellte der Firma gestern vor Gericht aus, sei eindeutig im Februar 2002 produziert und einige Wochen später an die Verkaufsstellen ausgeliefert worden.

Prozessbeobachter schlossen daraus, dass die Angeklagte zumindest eine Babyleiche erst 2002 in die Tüte gehüllt hat. Da der Todeszeitpunkt der Babys auch mit modernster Technik nicht festzustellen war, schließt die Staatsanwaltschaft aber auch nicht aus, dass der von der Angeklagten angegebene Zeitraum der Geburten von 1992 bis 1998 nicht stimmt. Ob Sabine H. auch nach 1998 noch Kinder geboren hat, wird sich aber schwer nachweisen lassen.

Die Angeklagte äußert sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen – und die meisten Nachbarn, die gestern vor Gericht aussagten, haben zwar den übermäßigen Alkoholkonsum von Sabine H., nicht aber die Schwangerschaften bemerkt. Anders Maria L., eine ehemalige Nachbarin. Sie war sich Mitte der 90er Jahre sicher, dass Sabine H. schwanger war. Noch schwerer wiegt die Aussage von Silvia H.: „Ich bin mir ganz sicher, dass Sabine H. schwanger war, als sie 1988 in unser Haus zog“, sagte die 54-Jährige, die selbst Mutter ist. Auch in den Jahren danach habe sie mehrmals bemerkt, dass Sabine H. einen dicken Bauch hatte. Natürlich habe sie sich gewundert, dass der dann immer wieder plötzlich verschwunden sei, antwortete Silvia H. auf eine entsprechende Frage des Richters. „Aber ich habe mich nicht getraut zu fragen. Es hätte ja auch eine Fehl- oder Totgeburt sein können.“ Allerdings, sagt die Zeugin, sei ihr einmal der Gedanke gekommen, Sabine H. verdiene sich ihr Geld als Leihmutter: „Naja, mindestens dreimal habe ich sie nach 1988 noch schwanger gesehen, und nie war ein Kind da.“

Silvia H. ist auch sicher, dass der Ehemann die Schwangerschaften bemerkt haben muss. Der 43-jährige Oliver H. bestreitet das. Er ist inzwischen von Sabine H. geschieden, aber laut DNA-Analyse der Vater der toten Babys. Wie die inzwischen 19- bis 21-jährigen gemeinsamen Kinder des Paares will Oliver H. nichts von den Schwangerschaften und Geburten bemerkt haben. Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.

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