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Brandenburg: „Die Partei findet sich, aber sie ist noch nicht stabil“

CDU-Landeschef Ulrich Junghanns ist heute 100 Tage im Amt. Ein Gespräch über einen schwierigen Start

Sie sind vor 100 Tagen nach einem unschönen Machtkampf knapp zum CDU-Vorsitzenden gewählt worden. Warum nimmt man Sie so wenig wahr?

Ich bin auf meine Art präsent. Es waren nicht die sonst üblichen 100 Tage für einen neuen Vorsitzenden. Ich habe vor allem nach innen gewirkt: Wir müssen uns wieder zusammenraufen.

Ihr Vorgänger Jörg Schönbohm ist weiter regelmäßig in den Schlagzeilen. Im Fall Oettinger hat er der Parteivorsitzenden Angela Merkel parteischädigendes Verhalten vorgeworfen. Warum gehen Sie darüber hinweg?

Seine Einschätzung der Bundesvorsitzenden teile ich nicht. Aber Jörg Schönbohm ist ein prominenter Politiker mit eigener Meinung. Es ist natürlich für Medien interessant, ihn in Gegensatz zu anderen CDU-Verantwortungsträgern zu stellen.

Wenn er sich bundesweit zu Wort meldet, spricht er nicht für Brandenburgs CDU?

Er spricht als Jörg Schönbohm.

Sind solche Äußerungen wie im Falle Oettinger, die hierzulande nicht gut ankommen, hilfreich für Brandenburgs CDU?

Ich wünsche mir von allen Beteiligten Rücksicht auf die Situation der CDU: Wir werden sehr genau beobachtet, ob wir geschlossen agieren können. Das müssen wir unter Beweis stellen. Deshalb ist ein all zu großer Drang zu persönlicher Profilierung nicht hilfreich. Das bedeutet nicht, dass alle ruhig sein sollen. Aber die Koordination, das Gesamtbild der Partei muss stimmen.

Ist die Ruhe, die in der CDU nach dem monatelangen Machtkampf eingekehrt ist, nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm?

Die Partei findet sich, aber sie ist noch nicht stabil. Man muss allerdings auch aufpassen. Wenn sich Exponenten der damaligen Auseinandersetzungen jetzt zu Wort melden, wird das gleich als Fortsetzung des vergangenen Streites interpretiert. Dabei ist es oft Ausdruck eines vielfältigen Meinungsbildes in der Union, des Alltags einer demokratischen Partei.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Sven Petke und seinen Truppen?

Ich bin im Landesvorstand einstimmig zum stellvertretenden Ministerpräsidenten nominiert worden. Mein Vorschlag für den CDU-Generalsekretär ist mit großer Mehrheit angenommen worden. Ich gehe mit Sven Petke um wie mit allen Mitgliedern des Landesvorstandes. Unsere Auseinandersetzungen führen wir um Themen, nicht um Lager.

Aber er hat Ihnen nach den Fraktionswahlen „eklatantes Führungsversagen“ vorgeworfen. Warum lassen Sie sich das gefallen?

Das fällt auf Sven Petke selbst zurück.

Trauen Sie ihm?

Jaa (lacht). Sagen wir es so: Es baut sich Vertrauen auf. Ich bin da zuversichtlich.

Die CDU liegt in Umfragen unter 20 Prozent, sie steckt auch finanziell in einer Krise. Bis wann wollen Sie die Partei finanziell und politisch konsolidieren?

Die CDU Brandenburg hat ein Stammwählerpotenzial von rund 20 Prozent. Das reicht mir nicht, ist aber eine solide Grundlage, auf der ich aufbauen will. Die CDU soll bei der Kommunalwahl wieder stärkste Partei werden. Aber bis dahin liegt noch viel Arbeit vor uns. Die Parteifinanzen will ich bis 2009 konsolidieren.

Manche glauben, dass Petke darauf setzt, Sie bei einer Wahlniederlage abzulösen.

Ich will jetzt langfristige Fundamente in der CDU legen und sehe mich nicht als Übergangsvorsitzenden. Dass sich die Jugend für die Zeit irgendwann nach Junghanns vorbereitet, ist normal.

Bleibt es bei Ihrer Aussage vom Wahltag, 2009 als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl anzutreten?

Ja. Aber zu meinem Führungsverständnis gehört auch, dass solche Fragen noch einmal erörtert werden, wenn die Zeit gekommen ist.

Wie finden Sie es, dass Regierungschef Platzeck Ihnen in der Wirtschaftspolitik die Schau zu stehlen versucht?

Ich sehe das gelassen. Erfolg ist eben sexy. Und die Wirtschaftspolitik ist erfolgreich, was vor allem auf Prägungen durch die CDU in der Großen Koalition zurückgeht. Sei’s gegönnt – es sind gemeinsame Erfolge dieser Regierung.

Sie haben nach der Absage von Klaus Wowereit an die gemeinsame Wirtschaftsförderung und die umstrittenen Fusionsaussagen Platzecks die Entfremdung der politischen Klassen beider Länder beklagt. Wo sehen Sie Ursachen?

Ich frage mich, was beide dazu treibt, solche Signale auszusenden. Es trägt dazu bei, dass Brandenburg und Berlin auseinanderdriften. Ich stimme mit Matthias Platzeck ja darin überein, dass die Fusion ein langfristiges Projekt ist, dass ständig neue Termine nicht hilfreich sind.

Und wo unterscheiden Sie sich von Platzeck?

In der Frage, was man jetzt tun muss. Ich meine, dass Berlin und Brandenburg – anstatt ständig die gemeinsamen Kabinettssitzungen zu verschieben – eine neue gemeinsame Agenda von Projekten brauchen. Es reicht nicht aus, sich zurückzulehnen, weil man schon viele Behörden und Gerichte fusioniert hat.

Sehen Sie eine Chance, Berlin in der Frage der Fusion der Wirtschaftsförderung noch umzustimmen?

Ja, denn es ist ein vernünftiges Projekt und die Wirtschaft will es. Außerdem gibt es einen Beschluss beider Kabinette.

Beide Länder haben fast alle Behörden fusioniert. Wozu eigentlich noch die Fusion?

Ein gemeinsames Land könnte viel mehr für die Hauptstadtregion, für die Menschen, die hier leben, herausholen. Es gibt eine weitere Dimension: Auf Bundesebene beginnt die nächste Stufe der Föderalismusreform. Da sind Verteilungskämpfe programmiert: Wenn Berlin und Brandenburg mit der Perspektive eines gemeinsamen Landes abgestimmt auftreten, hätte das gegenüber starken Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg ein ganz anderes Gewicht. Wenn jedes Land für sich allein kämpft, schwächt dies beide.

Der Klimawandel ist derzeit das Reizthema. Warum bereiten Sie nicht den Ausstieg aus der Braunkohle vor, falls sie nicht sauberer gemacht werden kann?

Diese Frage kann man nicht nur aus dem Blickwinkel der Landespolitik betrachten: Braun- und Steinkohle sind in diesem Jahrhundert der wichtigste Energieträger für Wirtschaftswachstum in der Welt. Warum sollte Deutschland seine eigenen Vorräte nicht nutzen – und sich als Technologieland profilieren? Man hat es geschafft, den Schwefel, die Stickoxide aus den Abgasen zu holen. Jetzt muss es gelingen, das CO2 zu isolieren. Ein angekündigter Ausstieg aus der Kohle würde das alles konterkarieren. Es wäre industriepolitisch falsch.

Brandenburgs Wohlstand in diesem Jahrhundert hängt von „sauberer“ Kohle ab?

Ja, mindestens bis 2050 trägt die Braunkohle zur Energiesicherheit, aber auch zur Stärkung der Wirtschaft bei.

Deshalb sollten in der Lausitz auch neue Tagebaue erschlossen werden?

Ob es dazu kommt, hängt von vielen Faktoren ab, etwa der Entwicklung der Energiepreise oder der Treibhausgasemissionen. Kohle wird am Ende dort gefördert, wo Kompetenz und langfristige nutzbare Vorräte sind – wie in der Lausitz.

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