zum Hauptinhalt

Brandenburg: Die Retter kommen häufig zu spät: Mehr Herztote als anderswo In Brandenburg werden auch öfter Fehldiagnosen gestellt. Zudem muß das Notrufsystem verbessert werden

Von Sandra Dassler Brandenburg / Cottbus. Die knapp 40-jährige Frau klagte über Rückenschmerzen und Atemnot.

Von Sandra Dassler

Brandenburg / Cottbus. Die knapp 40-jährige Frau klagte über Rückenschmerzen und Atemnot. Ihr Hausarzt vermutete eine Überbelastung der Wirbelsäule. Als es der Frau nach Tagen immer noch nicht besser ging, entschloss er sich, ein EKG zu schreiben. Dabei stellte er dann fest, dass die Frau einen Herzinfarkt erlitten hatte.

„Wertvolle Zeit ging durch die falsche Diagnose verloren“, sagt Michael Oeff, Kardiologe im Klinikum der Stadt Brandenburg. Herzmediziner wissen es schon lange: Je schneller akute Infarktpatienten durch Ballonerweiterung oder durch ein Mittel, das verstopfende Gerinnsel auflöst (Lyse), behandelt werden, desto schneller und nachhaltiger verläuft die Heilung. Was eine sofortige Behandlung am Herzkatheter verhindert, sind nicht nur unerkannte Infarkte. Oft spielen auch andere Umstände eine Rolle. Diese werden jetzt von der AG Kardiologie Brandenburg e.V., deren 1. Vorsitzender und Sprecher Michael Oeff ist, untersucht.

Handlungsbedarf besteht gerade in Brandenburg, ist doch das Land Spitzenreiter bei der Infarktsterblichkeit in Deutschland. Während in Berlin nur 39 Menschen pro 100 000 Einwohner am Herzinfarkt sterben, sind es in Brandenburg 125. Die Untersuchung umfasst rund 2000 Infarktpatienten und hat mehrere Ursachen für die hohe Infarktsterblichkeit in der Mark festgestellt. So resultiert die verzögerte Behandlung zunächst aus dem Verhalten der Patienten. „Die Brandenburger suchen bei Infarktsymptomen sehr spät einen Arzt auf“, konstatiert Michael Oeff: „Sie nehmen die Anzeichen nicht ernst, oft vergehen Stunden bis zur Behandlung. Außerdem zögern viele Ärzte im Land noch immer, bevor sie trotz typischer Symptome eine Herzkatheteruntersuchung anordnen.“

Ein weiteres Problem besteht darin, dass es in einem Flächenland wie Brandenburg oft Schwierigkeiten mit dem Transport der Infarktpatienten zu einem Herzkatheterplatz gibt. Im Land existieren elf solche Einrichtungen an sieben Standorten: Neuruppin, Brandenburg, Frankfurt (Oder), Schwedt, Potsdam, Bernau und Cottbus. Die Anfahrtwege dorthin können ein bis zwei Stunden betragen. Zusätzlich bestehen organisatorische Probleme: Herzinfarkte treten besonders in den frühen Morgenstunden auf. Wenn ein Patient beispielsweise nachts in die Notaufnahme eingeliefert wird, ist manchmal kein Arzt da, der ihn auf den Transport zu einer Klinik mit Herzkatheterplatz begleiten kann. Für die Versorgung eines Infarktpatienten ist dies aber notwendig.

Das gilt im Übrigen auch für den Transport der Patienten generell. Noch immer hat sich nicht herumgesprochen, dass man bei Anzeichen eines Herzinfarkts besser die Telefonnummer 112 wählt. Im Gegensatz zu den kassenärztlichen Notdiensten verfügen die Einsatzteams von der Feuerwehr und der Johanniter-Unfallhilfe nämlich über Ärzte, die alle Voraussetzungen für eine umfassende Infarktbehandlung mitbringen.

Die These, wonach die Brandenburger viel ungesünder leben als beispielsweise die Berliner, lässt sich allerdings statistisch nicht belegen. Bei der Zahl der wegen Infarkterkrankungen stationär aufgenommenen Patienten unterscheiden sich Berlin und Brandenburg nämlich nur minimal. In Berlin sind es 169 Bürger pro 100 000 Einwohner, in Brandenburg 165. Überhaupt sind viele Kollegen von Michael Oeff der Ansicht, dass man ein Flächenland wie Brandenburg nicht mit einem Stadtstaat vergleichen kann. „Wir sollten uns da eher an anderen Flächenländern orientieren“, sagt Jürgen Krülls-Münch, Kardiologe im Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum. „In Nordrhein-Westfalen beispielsweise sterben 103 Menschen pro 100 000 Einwohnern am Infarkt, in Sachsen-Anhalt sind es mit 123 Infarkttoten nur drei weniger als in Brandenburg.“

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false