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Brandenburg: Die Stadt und das Lager

Erstmals widmet sich eine Ausstellung dem Verhältnis zwischen Oranienburg und dem KZ Sachsenhausen

Oranienburg. „Kaninchen schlachten konnte er nicht, aber Menschen.“ So erinnerte sich eine Frau aus Oranienburg an einen ihrer Nachbarn. Jener Mann wurde der „Eiserne Gustav“ genannt – von Häftlingen des KZ Sachsenhausen. Der SS-Mann fiel hier durch seine Brutalität auf. Mehrere Menschen kamen durch ihn zu Tode. Gewohnt hat der SS-Mann ganz bieder in einem der Siedlungshäuser rund um das Lager. Dort gab er sich so, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun oder ein Kaninchen schlachten. Erst nach Kriegsende und der Befreiung des Lagers erfuhren die Nachbarn von seinem wahren Charakter. Das jedenfalls behaupteten sie gegenüber Historikern. Die Erinnerungen dieser Nachbarn und anderer Zeitzeugen sind die wertvollsten Zeugnisse in der kürzlich eröffneten Ausstellung der Gedenkstätte Sachsenhausen „Die Stadt und das Lager“.

Während die Besucher den Berichten der Oranienburger unter Kopfhörern lauschen, fällt der Blick durch Sehschlitze auf die Umgebung des KZ. Da stehen Einfamilienhäuser und in der Ferne ein Schornstein. Alles zum Greifen nah. Zwischen dem Lager und der Stadt kann es also zwischen 1936 und 1945 nie eine hermetische Abgrenzung gegeben haben. Im Gegenteil, die Siedlungshäuser wurden extra für die SS-Angehörigen errichtet. In den Fabriken und beim Straßenbau arbeiteten Dutzende Häftlingskommandos, die durch den Ort marschieren mussten. Regelmäßig gab es Führungen durch das KZ, oft legte sich tagelang beißender Qualm aus dem Krematorium über die Stadt.

Die Ausstellung zeigt überzeugend, wie viel die Oranienburger über die Vorgänge im KZ gewusst haben müssen. Es gab aber nicht nur Schweigen oder billigendes Hinnehmen der Zustände. Oranienburger steckten Häftlingen Brot oder Tabletten zu, nahmen Briefe entgegen oder halfen ihnen oft unter dem Einsatz ihres eigenen Lebens. Nicht wenige bezahlten diese Menschlichkeit mit der Einlieferung ins KZ und dem späteren Tod.

Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten wollte Mitte der neunziger Jahre die SS-Siedlungen unter Denkmalschutz stellen. Doch ein unerwarteter Proteststurm verhinderte das, ähnlich erging es dem SS-Truppenlager direkt am Lager. Ein internationaler Architektenwettbewerb brachte viele Ideen – die Stadt favorisierte schließlich einen Entwurf von Daniel Libeskind, der in einem von Wasser umspülten großen Gebäuderiegel viele öffentliche Einrichtungen und ein Museum unterbringen wollte. Hier verwahrte sich der Denkmalschutz gegen einen zu starken Eingriff. Das Gelände lag viele Jahre brach, bis jetzt der Umbau der Kasernen in die neue Polizeifachschule begann. Dennoch wird in der Stadt die KZ-Gedenkstätte nicht mehr ignoriert wie in den Jahren nach der Wende. Heute kommen viele Oranienburger zu Gedenkfeiern, Diskussionsforen oder zur Ausstellung über die Stadt und das Lager, die dienstags bis sonntags von 8.30 bis 16.30 geöffnet ist.

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