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Brandenburg: Die unberechenbaren Wähler

Mehrheit der Brandenburger fühlt sich an keine Partei gebunden

Wie haben die konservativen Parteien vor der Volkskammerwahl im März 1990 gezittert. Sie befürchteten einen haushohen Sieg der SPD, denn der Osten war schon immer rot. Doch bekanntlich kam alles ganz anders. Die ehemaligen DDR-Bürger pfiffen auf Traditionen und Konfessionen und wählten jene, die ihnen eine schnelle D-Mark versprachen: Helmut Kohl und die Allianz für Deutschland. Das war in Brandenburg nicht anders als in Sachsen oder Thüringen.

Zwölf Jahre später stellen Politologen und Soziologen fest, dass das Wahlverhalten der Menschen zwischen Prignitz und Lausitz im Prinzip noch immer demselben Muster folgt: Nach wie vor seien die Brandenburger vor allem auf Sachthemen und Personen fixiert, noch immer gäbe es, mal abgesehen von den PDS-Anhängern keine längerfristigen Bindungen an politische Parteien. Der Politikwissenschaftler Hans-Joachim Veen aus Trier schätzt, dass 90 Prozent der Brandenburger jene wählen, denen sie bei aktuellen Problemen mehr Kompetenz zutrauen. Eine Ausnahme bildet nach Veens Meinung lediglich der „Speckgürtel“: „Hier haben sich viele Bürger aus den alten Bundesländern und dem ehemaligen West-Berlin angesiedelt, die sich seit Jahrzehnten einer bestimmten Partei zugehörig fühlen.“ Davon könnten sowohl SPD und CDU profitieren als auch die Grünen, die im Osten nie Fuß fassen konnten. Die FDP bildet nach Veens Ansicht eine Ausnahme – sie darf aufgrund des sich entwickelnden Mittelstands als einzige Vertreterin der kleineren Parteien auch außerhalb des Speckgürtels mit Zuwächsen rechnen.

Der Freiburger Wahlforscher Ulrich Eith hat ebenfalls festgestellt, dass sich die Mehrheit der Brandenburger keiner Partei verpflichtet fühlt – im Gegensatz zu den alten Bundesländern, in denen knapp 70 Prozent der Wähler seit langem an eine Partei gebunden sind. Eith findet das aber normal: „Die Menschen in den neuen Ländern können erst seit wenigen Jahren ihre Erfahrungen mit Demokratie und demokratischen Wahlen sammeln.“ Deshalb seien sie – wie der überraschende Erfolg der DVU in Sachsen-Anhalt zeigte – immer noch unberechenbar. Das gelte allerdings nur im Vergleich zu den alten Ländern. Nehme man osteuropäische Staaten, deren Bevölkerungen ähnliche Transformationsprozesse durchliefen, zum Maßstab, „ist das Wahlverhalten in Brandenburg fast schon stabil“. Sandra Dassler

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