zum Hauptinhalt

Brandenburg: E-Mail-Affäre: Vorwürfe gegen Innenministerium

lässt aber den Staatsanwälten den Vortritt

Potsdam - In der E-Mail-Affäre der Brandenburger Union gerät jetzt das von CDU-Chef Jörg Schönbohm geführte Innenministerium in die Kritik. Als zuständige Datenschutz-Aufsicht hat es bisher keine direkte Prüfung der Praxis der CDU-Zentrale vorgenommen, obwohl der Internet-Unternehmer Daniel Schoenland seine Vorwürfe bereits vor einer Woche erhoben hatte. „In Berlin würde unverzüglich eine eigene Prüfung eingeleitet. Jede Behörde Deutschlands würde das tun“, sagte Alexander Dix, der frühere Brandenburger und jetzt Berliner Datenschutzbeauftragte, gestern auf Anfrage. Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, betonte, dass eine Aufsichtsbehörde für den privaten Datenschutz – für diesen ist in Brandenburg das Innenministerium zuständig – „selbstverständlich“ die Befugnis habe, eigene Kontrollen durchzuführen, Abläufe im Datenverkehr zu untersuchen, Daten und Dokumente einzusehen und, wenn nötig, auch sicherzustellen. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen stünden eigenen Kontrollen nicht entgegen, so Weichert. „Im Gegenteil, die technische Sachkunde ist bei der Datenschutz-Fachaufsicht besser.“

Dass die Aufsicht bislang selbst nicht direkt tätig wurde, begründete Schönbohm gestern mit den Prüfungen durch die Staatsanwaltschaft: Diese hätten Vorrang. Allerdings gibt es bis jetzt noch gar keine Ermittlungen, da die Strafanzeige Schoenlands von der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Cottbus noch geprüft wird. Deshalb kann die Staatsanwaltschaft selbst bisher „keine exekutiven Maßnahmen“, also etwa Durchsuchungen, durchführen, so Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg.

Vorhaltungen, er könne befangen sein, weil er als Minister für die Datenschutzaufsicht zuständig, zugleich aber CDU-Chef ist, widersprach Schönbohm verhement: Er habe die zuständige Abteilung angewiesen, besonders gründlich vorzugehen, „damit niemand den Vorwurf erheben kann, es werde manipuliert“. Auffällig ist allerdings, dass das Ministerium ohne direkte Prüfung die umstrittene E-Mail-Praxis der CDU-Zentrale bereits weitgehend als rechtens bewertet hat. So hatte es nichts daran auszusetzen, dass etwa Mails an CDU-Namensadressen – wie etwa an Justizministerin Beate Blechinger oder Wissenschaftsministerin Johanna Wanka – in einem Sammelbriefkasten der CDU-Zentrale landeten, dort gelesen, sortiert und weitergeleitet wurden. Dies sei mit E-Mails an Firmen vergleichbar, aus einer persönlichen Adresse könne nicht auf einen privaten Charakter geschlossen werden – so das Ministerium. Mit dieser Auffassung steht es ziemlich allein. Die CDU-Praxis verstößt nach Ansicht des Informationsrechts-Professors Peter Wedde, die Dix und Weichert teilen, klar gegen den Datenschutz. Wer eine Mail an eine Namensadresse schickt, muss davon ausgehen können, dass der Empfänger diese ungelesen erhält, sagte Dix. Und Weichert wies darauf hin, dass der E-Mail-Verkehr von Firmen und Arbeitnehmern auf den CDU-Fall nicht einfach übertragbar sei – „es sei denn, dass sich die Minister als Arbeitnehmer der CDU-Geschäftsstelle betrachteten.“

Durch die Affäre wächst der Druck, dass das Innenministerium die Zuständigkeit für den privaten Datenschutz an die beim Landtag angesiedelte Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge abgibt, was auch Dix lange gefordert hatte. „Dort wäre Unabhängigkeit gewährleistet“, so die PDS. Auch Hartge wirbt für eine gemeinsame Aufsicht. „An diesem Beispiel zeigt sich, wie schwer Unabhängigkeit sein kann.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false